Mittelalterliches aus dem Pustertal

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Mittelalterliches aus dem Pustertal

Teil 4 – Im letzten Teil sehen wir uns heute gemeinsam die Wurzeln des Bauernkrieges an, hören etwas über die Wiedertäuferbewegung und über kaiserlichen Besuch im Pustertal an.
Die Pustertaler Wurzeln des Bauernkrieges und der Wiederäuferbewegung
Nachdem das Pustertal zu Tirol zurückgekehrt war, erlitt es die Geschicke dieses Landes mit, und zwar meist mehr passiv erduldend als aktiv gestaltend. Im Bauernkrieg von 1525 kam der Anlass für den Tiroler Anteil daran aus dem Pustertal. Peter Paßler aus Antholz wehrte sich gegen die Ungerechtigkeit des Bischofs von Brixen, der dessen Vater das erbliche Amt eines Fischereiaufsehers entzogen hatte, nachdem er zum Mittel der „Absage“ gegriffen hatte, einer Art private Kriegserklärung an den Bischof. Als man seiner habhaft wurde und ihn zum Tode verurteilte, befreiten ihn die Bauern. Unter seiner Führung plünderten sie dann zunächst in der Stadt Brixen die Häuser der Adeligen und der Geistlichen und anschließend das Kloster Neustift. Wenige Tage nach der Befreiung Paßlers wurde Michael Gaismair von den Bauern zum obersten Feldhauptmann gewählt. Wie Gaismair kämpfte auch Passler später im Pinzgau und im Pongau. Bei Zell am See erlitt er im Jahre 1526 eine schwere Niederlage. Danach entschloss er sich zu einer Art Partisanenkrieg, bis ihn einer seiner Leute ermordete, um an das ausgesetzte Kopfgeld zu kommen.
Kurz nach dem Bauernkrieg breitete sich in Tirol die Wiedertäuferbewegung aus. Sie ist nicht hier entstanden, aber einer ihrer wichtigsten Prediger stammt aus dem Pustertal: Jakob Huter aus St. Lorenzen. Von ihm hat ein wesentlicher Teil dieser Bewegung seinen Namen: die Huterischen Brüder oder Hutterer. Das Hauptmerkmal dieser Glaubensbewegung war von Anfang an die Ablehnung der Kindertaufe. Daher wurden all jene, die sich den Wiedertäufern anschlossen, noch einmal getauft. Darüber hinaus sahen sie sich als freie Gemeinschaft von Gläubigen, welche die kirchliche Lehre und Obrigkeit radikal ablehnten. Im Raume Bruneck gab es besonders viele Anhänger der Wiedertäufer. Die Behörden gingen von Anfang an gnadenlos gegen sie vor. Viele von ihnen flohen nach Mähren, wo sie eine Zeitlang vor Verfolgungen sicher waren. Wer sich als Wiedertäufer bekannte, wurde zum Tode verurteilt, die bevorzugte Hinrichtungsart war das Verbrennen bei lebendigem Leib. Jakob Huter wurde, als er von Mähren über den Tauern nach Tirol zuückgekommen war, in Klausen eingefangen und im Jahre 1536 in Innsbruck vor dem Goldenen Dachl auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Im Jahre 1622 war dann die Zeit des Wiedertäufer-Asyls in Mähren vorbei. Die Wiedertäufer zogen zunächst nach Siebenbürgen und dann weiter nach Südrussland. 1874 wanderten sie nach Nordamerika und Kanada aus, wo sie auf ihren Bruderhöfen ein Leben leben, das ganz von der Bibel bestimmt ist. Es sind heute ihrer ca. 30.000. Zu den Ursachen für die sozialen Unruhen waren immer auch Not und Elend zu rechnen, in denen die Menschen früher nicht selten zu leben gezwungen waren. Das 16. Jahrhundert stellte diesbezüglich besondere Anforderungen. So vermehrte sich die Bevölkerung Tirols im Laufe dieses Jahrhunderts um rund die Hälfte, gleichzeitig verdoppelten sich die Getreidepreise infolge der Inflation. Hungersnöte waren die Folge. Ihnen versuchte die Regierung zu begegnen, indem sie im Ausland Getreide aufkaufte, das dann zu ermäßigten Preisen an die einheimische Bevölkerung ausgegeben wurde. Wenn – wie z. B. um 1570 – auch das nicht mehr ausreichte, ermahnte der Landesfürst Erzherzog Ferdinand II. (1564 bis 1595) das Volk, enthaltsamer zu leben und sich einzuschränken.

Kaiserlicher Besuch im Pustertal
Wenn Herrscher das einfache Volk aufsuchten, geschah das kaum je ohne Hintergedanken. So bereiste Maxilian I. damals noch als König im Jahre 1500 das eben mit der görzischen Erbschaft an ihn gefallene Pustertal, um sich seinen neuen Untertanen zu präsentieren. Der Stadt Bruneck schenkte er bei dieser Gelegenheit eine Krone und ein mit Perlen und Edelsteinen besetztes Gehänge vom Orden des goldenen Vlieses, das am Schenkungsort (Ursulinenkirche) verwahrt wurde, bis sich die Stadt im Jahre 1771 eine erste moderne Feuerwehrspritze anschaffte und sie mit dem Erlös des maximilianischen Gastgeschenkes finanzierte.
Karl V., der kaiserliche Enkel Maximilians I., kam unter anderen Umständen ins Pustertal. Im Jahre 1552 fiel der protestantische Kurfürst Moritz von Sachsen durch die Ehrenberger Klause in Tirol ein u9knd marschierte von dort über den Fernpass nach Innsbruck. Der Kaiser, der sich in Innsbruck aufhielt, floh über den Brenner ins Pustertal, wo ihm die Brunecker im Neustifter Amtshaus (heute Sitz der Universität) übernachten ließen. Als Moritz von Sachsen nach drei Tagen Innbruck wieder verließ, um in Passau an Friedensverhandlungen teilzunehmen, sollen seine über den Fernpass zurückflutenden Truppen alles zerstört haben, was ihnen im Wege stand.
Das ganze Mittelalter hindurch waren die römisch-deutschen Könige nur Kaiser geworden, wenn sie sich vom Papst in Rom krönen ließen. Der Weg über den Brenner war die von den Kaiseraspiranten am häufigsten benutzte Reiseroute. Als die Venezianer im Jahre 1508 die Romreise  Maximilians I. verhinderten und dieser sich in Trient zum „erwählten römischen Kaiser“ erklärte, waren von da an Reisen zu Kaiserkrönungszwecken nicht mehr notwendig. Trotzdem zogen immer wieder habsburgische  Kaiser oder zumindest Erzherzöge oder Erzherzöginnen durch das Pustertal, um sich in die von den Habsburgern beherrschten Teile Italiens zu begeben, wie z. B. in die Toskana oder in die Lombardei. Die Durchfahrten der hohen Herrschaften berührten den gemeinen Mann kaum, sie brachten höchstens einige Aufregung in die Poststationen der Täler, wo der Pferdewechsel zu organisieren und dafür zu sorgen war, dass der hochadelige Tross möglichst ohne Verzögerung weiterkam. Wenn Übernachtungen gewünscht wurden, standen die adeligen Häuser zur Verfügung, gab es doch  nichts Ehrenvolleres als ein Mitglied des Kaiserhauses in den eigenen vier Wänden begrüßen zu dürfen. Als letztes Mitglied der kaiserlichen Familie kam während des 1. Weltkrieges der Thronfolger Erzherzog Karl ins Pustertal, als in Bruneck der „Eiserne Wehrmann“ eingeweiht wurde, eine hölzerne Relieffigur, die einen Landesschützen darstellt, dessen Oberfläche über und über mit Nägelköpfen bedeckt ist. Jeder Nagel ist Beleg für eine Spende von 20 Hellern zu Gunsten des Witwen- und Waisenfonds. Das martialische Denkmal, ein Werk des Bildhauers Alois Bacher aus Gais, hat man vor einigen Jahren im Innenhof des Schlosses Bruneck wieder aufgestellt. Beim ersten königlichen Besuch aus Rom nach dem Kriege kam im Jahre 1926 der Kronprinz Umberto di Savoia nach Bruneck. Aber das waren dann schon andere Zeiten, allerdings wieder keine besonders guten. (RT)