Die Magie der Rauhnächte – Räucherrituale im Pustertal

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Die Magie der Rauhnächte – Räucherrituale im Pustertal

Je nach Religion und Brauch waren es drei oder zwölf Tage, an denen in der Weihnachtszeit geräuchert wurde. Unsere Großeltern räucherten meist am Heiligen Abend, zu Silvester und am Dreikönigstag. Diese Tradition wird auch heute noch von vielen Familien im Pustertal gelebt.

“ S‘ Rachon“
Wie in früheren Zeiten im Ahrntal geräuchert wurde, weiß Klothilde Oberarzbacher Egger aus Steinhaus zu erzählen. „Wir haben immer am Heiligen Abend mit dem Räuchern begonnen und zwar nach dem Mittagessen. Als alle aufgeräumt war, hat der Vater oder die Mutter gesagt, jetzt gehen wir zum ‘rachn‘“. Es gab noch Glut im Herd oder im Ofen, die in ein festes Tongefäß gegeben wurde. Die Mutter habe im Dachboden vom getrockneten “Frauenbuschen“, der am 15. August gebunden worden war oder vom “Polmbesen“ Kräuter geholt. „Wir sind in die Stube gegangen: der Vater mit dem Räuchergefäß, wir Mädchen mit einem Kopftuch und die Buben mit ihrem Hut. Alle hielten ihre Kopfbedeckung über den Rauch. Ich weiß auch noch, dass wir alle über das rauchende Gefäß drübergestiegen sind“, weiß die Ahrntalerin zu erzählen. Das Drübersteigen sollte vor Schlangenbissen schützen und das darüber gehaltene Kopftuch und der Hut sollten bewirken, dass der Kopf schmerzfrei bleibt. Dann sei in der Stube kniend gebetet worden, der Vater aber sei mit dem Räuchergefäß alle anderen Räumlichkeiten abgeschritten und ein Kind sei ihm mit dem “Weichbrunn“ gefolgt. Alle Räume des ganzen Hofes, Mensch und Vieh sowie auch die Felder wurden durch das Räucherritual gesegnet und vor Unglück geschützt, erzählte Klothilde Oberarzbacher Egger. Das gleiche Räucherritual sei dann in der Neujahrsnacht vom 31. Dezember auf den 1. Jänner und vom 5. auf den 6. Jänner vollzogen worden, sagte die Ahrntalerin, die heute noch dieser Tradition folgt. Auch die Bezirkschronistin des Pustertales und Mundartdichterin Maria Hilber Mutschlechner aus Stegen bestätigt, dass früher nach dem 24. Dezember der 31. Dezember mit dem Jahreswechsel der nächste wichtige Räucherabend gewesen sei: „Für uns Stegener stets ein besonderer Tag, Heiliger Silvester, Schutzpatron der Tiere, einer der Patrone unserer Kirche. Dieser Tag wurde früher mit vier Messen begangen. Vor der Kirche wird an diesem Tag auch heute noch die Statue des Heiligen Silvester aufgestellt und vom ‘Veschtlhiata‘ wie seit alten Zeiten behütet. Davor steht ein Körbchen für Spenden, die mit einem großen ‘Vergeltsgott vom Heiligen Silvester‘ dankend entgegengenommen werden“, so Maria Hilber Mutschlechner. Der 3. bedeutende Räucherabend sei hier im Pustertal immer noch der Heilige Dreikönigstag und ist laut der Bezirkschronistin auch heute noch ein „Muss“ der Festlichkeiten.

Die Magie der zwölf Rauhnächte
Die Rauhnächte werden in der Literatur oft als eine mystische Zeit, eine Zeit zwischen den Jahren beschrieben. Die geistige Welt erwacht zu neuem Leben und Raum und Zeit scheinen aufgehoben. Sie werden auch als die zwölf heiligen Nächte oder Weihnächte bezeichnet in denen altes aufbricht und neues geboren wird. Diese Zeit ist geprägt von vielen Riten und Gebräuchen, die – ohne sie zu hinterfragen – von Generation zu Generation weitergetragen wurden. In dieser Zeit war es üblich Räucherrituale durchzuführen, um Mensch, Haus und Hof zu reinigen, Krankheiten und Unheil fernzuhalten und sich für das neue Licht bereitzumachen. Laut der Bezirkschronistin beginnt die 1. Rauhnacht in der Thomasnacht: „Am Thomastag mit dem Räuchern zu beginnen, geht wohl auf sehr alte Bräuche zurück. Von den erstmals zwölf Rauchnächten, die demnach vom 21. Dezember bis 6. Jänner dauerten, sind mit dem ausübendem Brauch des Räucherns bis heute noch die drei Rauchnächte erhalten geblieben.“ Die Bioenergetikerin Sylvia Walder von der Arche in St. Lorenzen präzisiert: „Die Wintersonnenwende fällt je nachdem auf den 21. oder 22. Dezember, heuer auf den 21. Dezember, genau um 23.30 Uhr. Dieser Tag wird auch als 0. Rauhnacht bezeichnet, weil an diesen Tag alles stillsteht. Es ist ein besonderer Tag, wo Altes und Belastendes losgelassen und überdacht sowie der Nährboden für Neues geschaffen wird, damit es keinem und fruchten kann.“ Dieses Thema ziehe sich über die gesamten zwölf Rauhnächte, die in der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember beginnen und in der Nacht von den 5. auf den 6 Jänner enden würden, weiß Sylvia Walder. Adelgunde Hofer Brunner vom Obermairhof in Reischach hat ihre Kindheit in Olang verbracht und dort gab es die drei traditionellen Rauhnächte. Sie räuchert heute auch noch am Heiligen Abend, zu Silvester und am Dreikönigstag. Adelgunde Hofer Brunner weiß aber auch über die gesamten zwölf Rauhnächte zu erzählen. „Jeder Tag der zwölf Rauhnächte steht für die kommenden zwölf Monate des Jahres und an jedem Tag kann etwas erbittet und erbeten werden. Beim Räuchern sollen negative Gedanken und das was nicht gut war, mit dem Rauch gehen; sich in Rauch auflösen. Das Gute hingegen wird verstärkt. Ich weiß noch, dass meine Mutter am Thomastag, den 21. Dezember, am kürzesten Tag des Jahres, etwas zu essen oder ein Geschenk für Bedürftige hergerichtet hat, das war ihr sehr wichtig“, erzählte Adelgunde Hofer Brunner.

Sinn und Besinnung
Gerne wüsste Adelgunde Hofer Brunner von den Bräuchen und Riten, die ihre Eltern praktiziert haben mehr, vor allem das warum und der Sinn dahinter fehle ihr: „Früher wurde einfach geräuchert, weil es von Generation zu Generation so überliefert worden ist. Meine Mutter hat uns nicht verraten, warum sie zum Beispiel meistens nur mit Weihrauch, aber  manchmal auch Wacholder zum Räuchern dazugegeben hat. In den Rauhnächten wurde auch nicht viel gearbeitet oder Wäsche gewaschen, es war eine Zeit der Ruhe, in der Verwandte besucht und vor allem gebetet wurde. Es war eine Übergangszeit und nach dem Dreikönigstag ging alles wieder seinen gewohnten Lauf.“ Maria Mutschlechner hält fest: „Das Räuchern von Haus und Hof mit umliegenden Feldern war ein religiöser Akt und unverzichtbar. Mit dem Räuchern sollte alles Böse vertrieben, die guten Geister und Helfer gerufen, Gott um Hilfe, die Familie, alle Tiere, Gemäuer, Hof und Felder vor Unheil zu schützen, gebeten werden.“ „In unseren Breitengraden wurde meist nur mit Weihrauch zu Weihnachten, Neujahr und Dreikönig geräuchert. In vielen anderen Kulturen räucherte man mit dem Wissen: Wintersonnenwende bis Silvester Altes raus, also reinigend und ab Neujahr aufbauend. Andere wiederum räucherten von der Wintersonnenwende bis zum 24. Dezember reinigend, ab 25. Dezember harmonisierend und ab 6. Jänner aufbauend“, erklärte Sylvia Walder, die selbst Räucherseminare leitet und betont „beim Räuchern kann man nichts falsch machen. Wichtig ist, der eigenen Intuition zu folgen, Entspannung, Wohlbefinden sowie Spaß am Räuchern zu haben. Der eigentliche Sinn dabei, ist die Besinnung.“

Räucherwerk
Zum Räuchern seien früher vorwiegend die Kräuter des “Frauenbuschens“ und des “Palmbesens“ und natürlich der gesegnete Weihrauch verwendet worden. Klothilde Oberarzbacher Egger erinnert sich, dass in ihrer Kindheit Kräuter, wie Kamille, Schafgarbe, Johanniskraut, Josefskraut, Haselnussstrauch, Himbeerlaub, Brennnessel und Ringelblume zum Räuchern auf die Glut gegeben wurden.  Ein Haselnussreis sei immer dabei gewesen, weil die Gottesmutter unter einem Haselnussstrauch gerastet habe und die „Schafgarbe ist ein Frauenkraut, das für alles hilft. Das Hexenkraut riecht besonders intensiv und vertreibt böse Geister“, beschreibt die Ahrntalerin die Wirkung der Kräuter. „Im Kräuterbuschen werden folgende Kräuter eingebunden: Schafgabe, Johanniskraut, Baldrian, Arnika, Königskerze, Kamille, Wermut, Pfefferminze und Tausendgüldenkraut. Sieben Kräuter müssen es auf alle Fälle sein, weiß Adelgunde Hofer Brunner. Sylvia Walder verwendet für die reinigende Wirkung Myrrhe, Weihrauch für die aufbauende Stimmung und Styrax zum Harmonisieren, wobei es bei allen dreien natürlich auch verschiedene Arten gibt.

Kohleräuchern
Früher wurde die Glut direkt aus dem Herd oder aus dem Ofen in ein feuerfestes Gefäß oder eine Räucherpfanne gelegt, heute wird vorwiegend Räucherkohle verwendet. „Ein Räuchergefäß wird mit Sand gefüllt, die Räucherkohle angezündet und auf den Sand gelegt. Sie bleibt dort liegen, bis sie grau ist. Dann werden die Kräuter, Harze und Hölzer draufgelegt. Mit Hilfe einer Feder wird der Rauch in die gewünschten Richtungen verteilt. Ein alte schamanisch-keltische Variante, damit sich der Duft und die Energie langsam verbreiten ist, dass die Kohle zuerst mit Sand überdeckt wird und dann erst die Kräuter darauf verteilt werden“, so lautet Sylvia Walders Tipp zur Kohleräuchern. Falls die Zeit für eine umfangreiche Kohleräucherung fehlt, würden Räucherstövchen Abhilfe schaffen. Das Räucherwerk würde auf das Gitter gelegt und darunter – wie bei einer Duftlampe – eine Kerze angezündet werden. Es gebe auch Stövchen mit breiten Gittern, wo die glühende Kohle direkt auf das Gitter draufgelegt werde, informiert die Bioenergetikerin. (TL)