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Zeugnisse von der Dolomitenfront

Buchvorstellung – Das Alpenkorps in Bildern, Berichten und Biografien.

 

 

Es war zu erwarten, dass das Gedenken an 100 Jahre Erster Weltkrieg zur Publikation verschiedener Werke führen würde, die diesen Krieg betreffen. Die diesbezüglichen Erwartungen sind z. T. schon erfüllt und werden wahrscheinlich noch mehr vertieft werden, denn die eigentliche Katastrophe jährt sich erst nächstes Jahr, wenn die Niederlage der Mittelmächte das Hundertjährige feiert. Es ist bereits jetzt schon festzustellen, dass verschiedene bisher kaum oder gar nicht behandelte Aspekte dieses Krieges von renommierten Historikern aufgearbeitet und publik gemacht wurden. Dazu gehört die Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg in den Dolomiten. Zu diesem Thema erschien dieses Jahr im Athesia-Tappeiner Verlag das Buch „Zeugnisse von der Dolomitenfront 1915. Das Alpenkorps in Bildern, Berichten und Biografien“. Der Verfasser ist Immanuel Voigt.

Der Einsatz des Alpenkorps in Südtirol
Weil nach dem Austritt Italiens aus dem Dreibund ein Angriff auf Südtirol drohte, musste die dortige Front verstärkt werden, was vor allem vom Preußischen Kriegsministerium als dringend angesehen wurde, sodass vor allem von dort aus großer Druck entstand auf die Aufstellung eines Alpenkorps, dessen Führung der gebirgserfahrene bayrische Generalleutnant Konrad Krafft von Dellmensingen übernahm. Als im Frühjahr 1915 davon die Rede war, ein deutsches  Armeekorps würde den österreichisch-ungarischen Truppen zu Hilfe kommen, rechnete man dort mit einer Truppenstärke von 45.000 Mann. So viele Soldaten waren es aber nie, das Alpenkorps kam über 26.000 Mann und 9500 Pferde nicht hinaus.
Man rechnete auf Seiten Österreichs mit einem großen und schnellen italienischen Angriff nach der Kriegserklärung, was dann aber nicht eintraf. Der italienische Generalstabschef Luigi Cadorna entschied sich für ein eher bedächtiges Vorrücken, was den Österreichern insofern zugute kam, als sie die nur notdürftig besetzte neue Front im Süden derart verstärken konnten, dass ein Durchstoß der italienischen Truppen in das Pustertal nicht mehr möglich war. Die eigentliche Gebirgstruppe der Österreicher und die Tiroler Kaiserjägerregimenter kämpften seit Kriegsbeginn in Galizien und standen für die Heimatverteidigung erst ab Herbst 1915 zur Verfügung. Die Ankunft des Alpenkorps in den Dolomiten trug zur Stabilisierung der Lage bei, obwohl eine direkte Verwendung an der Front nicht vorgesehen war, da es ja keine Kriegserklärung zwischen Italien und Deutschland gab. Mit der Zeit normalisierte sich die Lage, sodass das Alpenkorps seine Feuertaufe mit relativ geringen Verlusten überstand.  Der Einsatz in Tirol brachte die deutschen Soldaten am Anfang  auf die Hochebene von Folgaria und Lavarone. Dann kam der Verband vor allem in den Rayonen IV und V zum Einsatz, die sich vom Fleimstal bis an den Karnischen Kamm erstreckten.
Als das Alpenkorps Mitte Oktober 1915 von seinem hochalpinen Kriegsschauplatz in Südtirol abgezogen wurde, hinterließ man den ankommenden Tiroler Kaiserjägern eine verbesserte Frontlinie und vor allem eine kriegstaugliche Infrastruktur im Hinterland der Front (Bau von Straßen und Seilbahnen). In der Literatur wird der Einsatz in Tirol nicht selten als Idyll in einer  wunderbaren Berglandschaft beschrieben. Dabei wurde aber vergessen, dass auch hier Männer starben, wenn auch weniger als in den späteren Kämpfen dieses Truppenverbandes. Die Zeit in Südtirol war für das Alpenkorps als erste deutsche Gebirgstruppe eine wichtige Lern- und Ausbildungsphase, die bewirkte, dass für die Oberste Heeresleitung diese Truppe zu einer Art Feuerwehr wurde, die bis zum Kriegsende überall hingeschickt wurde, wo eine Spezialtruppe benötigt wurde.

Kurt Feustel schrieb in sein Tagebuch:
„Ich wurde am 18. Juni 1915 am Sellepaß verwundet, damals lag die Kompanie oben am Paß; in der Taramellihütte war die Reservestellung. In einem oberen Raum lagen wir dicht gedrängt Mann an Mann, 2 Gruppen in einem kleinen Raum. Vom 17. auf den 18. War es. Alles schließ auch ich, dabei träumte ich, oder es war mir jedenfalls so, als ob wir mächtiges Artilleriefeuer hätten. Da erwachte ich. Um mich herum war mächtiger Tumult, aber stockfinster. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Leutnant Wölfel stürzte herein. Die Kompanie liegt im Gefecht, wer meldet sich Munition hinaus zu tragen? Dommasch und ich waren schon draußen, rissen eine Patronenkiste heraus und trabten damit Richtung auf den Sellepaß aufwärts. Hoch in der Luft sausten Infanteriekugeln. Doch auf einmal bitsch-batsch, was war das; Dommasch warf sich hin und war nicht  mehr zu bewegen, die vorne liegen im Feuergefecht, sicher brauchen sie Munition. Also Kiste auf 10 Streifen heraus und im Laufschritt weiter. Nur von dem einen Gedanken erfüllt: vorwärts, vorn geht’s heiß ehr. Pustend schnaubte ich den Fußpfad hinauf, am See entlang. Plötzlich zwang mich ein Hagel von in den Steinen niederprasselnden Geschossen aufzusehen, und, oh Schreck, gegenüber dem See, auf den Felsen, standen an die 100 Italiener und schossen stehend auf mich herab wie auf ein Stück wild. Fast wütend setzte ich mit neuer Kraft an, doch schon traf ein Schuß in den linken unteren Fuß; da half alles nichts. „Kehrt marsch! Marsch!“ und im rasenden Tempo über die Felsen den Abhang hinunter. Bald erreichte ich ein Mulde, dort schmiß ich mich hinein, aber es war keine volle Deckung ; sie konnten mich noch sehen, und um mich summte es wie in einem Bienenschwarm. Also nochmal: „Auf marsch, marsch!“ bis zum Zickzackweg und dort hinter die Böschung. Man hatte mich von der Taramellihütte aus gesehen und ein Sanitäter kam mir auf gedecktem Weg entgegen. Er schnitt mir den Stiefel herunter und legte einen Notverband an und stützte mich hinunter zur Hütte. Dort traf ich Leutnant Wölfel, der um das Haus herumsprang wie von einer wilden Tarantel gebissen. Denn erhielt die Kompanie oben schon für verloren. Bald sammelten sich noch mehr Verwundetet und wir wurden zusammen in das Lazarett nach Bozen geschafft. Die Kompanie hatte sich glänzend gehalten und die Italiener wurden zum Teil gefangen.