Luns – Von klein auf haben sich Astrid Amico und Martin Ruepp für besondere Orte und ihre Geschichte interessiert. Vor fünf Jahren haben sich die beiden Autoren in Südtirol auf die Suche nach solchen mythischen Orten gemacht und ihre Eindrücke für die Nachwelt festgehalten. Einer dieser idyllischen Orte ist das Schalensteinwäldchen in Luns.
Im Weiler Luns bei Bruneck liegt ein von Mauern und Holzzäunen gesäumter Lärchenwald. Hier befindet sich das „Schalensteinwäldchen“ mit drei beeindruckenden Schalensteinen aus der Vorzeit. „Als Schalensteine werden Steine bezeichnet, in deren Oberfläche Schalen eingearbeitet wurden. Die Schalen können vielfältig gearbeitet sein, besitzen unterschiedliche Größen und Ausformungen. Auch die Anzahl der Schalen unterliegt keiner nachvollziehbaren Regel“, erklärt der Archäologe Ingemar Gräber, der sich mit der Geschichte von Schalensteinen beschäftigt. „Nach wie vor weiß man von Schalensteinen erstaunlich wenig, nicht einmal der zeitliche Rahmen ist im Groben abgeklärt, auch nicht der Kontext, in dem sie erschaffen wurden. Für uns ist ein Schalenstein ein Träger eines sichtbar gewordenen Handelns und der Erinnerung. Hier zeigt sich Geschichte zum Anfassen, für immer im Stein gezeichnet. Für uns dienen Schalenstein als Verbindungsbrücken in die Vergangenheit zu unseren Ahnen und Urahnen“, so beschreiben die beiden Autoren Astrid Amico und Martin Ruepp die Bedeutung der sonderbaren Steine in ihrem Buch „Mystische Orte in Südtirol“. Auch der Archäologe Ingemar Gräber bestätigt: „das Alter von Schalen ist sehr schwierig zu datieren, sie können in unterschiedlichen zeitlichen Epochen entstanden sein. Es gibt im Trentiener und Südtiroler Raum Beispiele von Schalensteinen die als prähistorisch angesprochen werden können, aber grundsätzlich sind jüngere Datierungen auch anzunehmen und wahrscheinlich. Zur Nutzung oder zum Zweck der Schalensteine lässt sich nichts Konkretes sagen, die Interpretationen haben religiöse, profane, mystische bis hin zu astrologische Ansätze.“
SCHÄLCHEN IN STEIN GESCHRIEBEN
„Im gesamten Brunecker Becken konnten mehrere Schalensteine gefunden werden, die auffälligste Anhäufung findet sich aber im Lärchenwald von Luns, wo in mehrere gut sichtbare Steine viele Schalen eingetieft wurden“, weiß Ingemar Gräber.
„Der größte und erste Schalenstein liegt ca. 500 Meter unterhalb des Außerkröllhofes. Dieser Schalenstein trägt über 250 Vertiefungen, die alle unterschiedlich sind. Form, Größe und Tiefe variieren. Auch die Anordnung ist verschieden. Wir haben die Steine zuerst von den Lärchennadeln und Flechten gesäubert, sie dann eingezeichnet und gezählt“, erklärt Martin Ruepp. Die Recherche lässt die beiden Autoren vermuten, dass die Schälchen Teile der damaligen Bevölkerungsstruktur so zum Beispiel Verwandtschaftsverhältnisse untereinander darstellen könnten und Aussagen über Status und Zugehörigkeit geben. „Natürlich gibt es viele Theorien zur Entstehung der Schälchen, auch jene, dass Hirten hier aus Langeweile die Schälchen gestaltet haben könnten. Unsere ist jedoch, dass die Schalen ganz bewusst in den Stein gedreht wurden. Untersuchungen haben ergeben, dass die Schälchen nicht mit Metall, sondern mit einem länglichen Stein in die Oberfläche eingearbeitet wurden. Symbolisch betrachtet kann eine Schale etwas aufnehmen. Ein weibliches Symbol wird im Stein ausgehöhlt, um etwas aufzufangen. Hier könnten Theorien für Fruchtbarkeit eine Rolle spielen“, so Matin Ruepp weiter. Dazu könnten die Schalensteine zu Kult- und Opferzwecken von den damaligen Bewohnern aufgesucht worden sein. Astrid Amico erzählt: „Die Schalen könnten dazu genutzt worden sein sie mit Nahrungsmitteln, Blumen und anderen Gaben zu füllen, als Dank und Opfer an die Ahnen.“ Diese Theorie treffe für Astrid Amico und Martin Ruepp beim zweiten Schalenstein zu. Der Stein ist in südwestlicher Richtung, direkt am Weg von Dietenheim nach Amaten zu finden und gleicht einer Altarplatte. „Der Stein ist nicht sehr hoch, aber flach und mit 5,20 Meter und 3,80 Meter ein stattlicher Koloss. Auf seiner begehbaren Oberfläche befinden sich 140 Schälchen, die zwischen drei und neun Zentimeter Durchmesser aufweisen. Die Schalensteine wurden über mehrere Epochen hinweg bearbeitet. Wir vermuten, dass die Steine von der Jungsteinzeit bis hin zur Eisenzeit als Kult- und Opferplätze genutzt wurden“, hält Astrid Amico fest. Der dritte Schalenstein in diesem Lärchenhain liegt etwas verborgen am südöstlichen Rand des Waldes. „Der dritte Stein ist zwei Meter hoch und hat einen langgezogenen, schmalen Rücken. Er bietet keine einladende Fläche, wie die anderen zwei Steine und es verwundert uns, dass hier Schälchen eingearbeitet wurden, insgesamt haben wir 30 gefunden. Interessant ist hier, dass auch ein Kreuz eingearbeitet wurde.“ Für Astrid Amico und Martin Ruepp war auffallend, dass die drei Schalensteine im Lunser Lärchenhain alle exakt in einer Linie zueinander stehen und die beiden äußeren Steine zum Mittleren genau 191 Meter entfernt liegen. Auch einen vierten Schalenstein, der mit den drei anderen in Verbindung zu stehen scheint, haben die beiden Erkunder unter die Lupe genommen. „Der vierte Schalenstein ist in einem schattigen Nadelwald am Nordhang von Dietenheim zu finden. Er ist sechs Meter lang und an der breitesten Stelle 2,20 Meter breit. Wir haben 176 Schalen gefunden, so Astrid Amico. Rätselhaft sind für die zwei Autoren die ungewöhnliche Lage am Rande eines Grabens und die Spuren von Terrassierungsmauern in der Umgebung des Steines. „Dieser Ort hat eine ganz andere Ausstrahlung, als der Lärchenhain in Luns. Wenn man so will, fühlt es sich einsam und verhalten, ja fast verschwiegen an. Der Stein ist aber nicht weniger beeindruckend als seine drei Nachbarn, nur seine Lage ist etwas sonderbar. Während die anderen drei im sonnigen Hain nebeneinander stehen, befindet sich dieser im dunklen Nadelwald in nordwestlicher Richtung und abseits des Weges von Dietenheim nach Amaten“, so Astrid Amico. Die Lage des Steines und die Ausrichtung nach Westen lässt die beiden Autoren darauf schließen, dass es sich hier um einen Totenstein handle, bei dem jedes Schälchen auf der Oberfläche für einen Toten steht.
GEISTIGE QUALITÄTEN DER LANDSCHAFT
„Die Besonderheit eines jeden Ortes setze sich aus verschiedenen Erscheinungsformen der Natur und dem Spiel elementarer Kräfte zusammen. In den meisten Landschaften würde ein Wechselspiel der unterschiedlichen Energien stattfinden und jede Landschaft fühle sich anders an und hätte andere Auswirkungen auf Körper, Geist und Psyche, schreiben die Autoren ihrem Werk. „Eine flache Landschaft wird anders erlebt, als die Bergwelt. Hier in Luns finden wir vorwiegend eine sumpfige und wilde Landschaft, das Element Wasser spielt eine tragende Rolle. Die Schalensteine liegen im Lärchenhain und ringsum finden wir weite Wald- und Wiesenflächen, die sich als Siedlungsfläche gut geeignet haben müssten. An solchen Plätzen, die die Zeit überdauert haben, ist das Wissen der Ahnen präsent, es spiegelt sich in der Landschaft wieder. Sümpfe waren immer schon als Aufenthaltsort von Geistern und Seelen bekannt. Das ganze Lärchenwäldchen könnte man als alten heiligen Hain und als Ahnengedenkstätte ansehen. Es sind mystische Orte, die uns feinstoffliche Ebenen nahebringen, wo das Unbewusste zum Vorschein kommt und wir erkennen, wie sehr wir uns mittlerweile dran gewöhnt haben, diese unsichtbaren Dimensionen zu übersehen“, erklärt Martin Ruepp.
ZUGANG ZUM BEWUSSTSEIN DES ORTES
Um ein Verständnis der Energien vor Ort zu bekommen, haben die beiden Autoren unterschiedliche Wege eingeschlagen. Einer davon war die, auf Schwingung der physikalischen Objekte basierende, Radiästhesie, die mittels einer Rute oder einem Pendel ermittelt wird und die Ortsqualität von Plätzen feststellen kann. „Kraftorte befinden sich häufig auf Plätzen mit besonderen Energiequalitäten. Schwingungen und Strahlungen der Umgebung, der Erde und des Kosmos wirken auf den Ort ein und werden von Tieren und Pflanzen deutlich wahrgenommen. So suchen sich Bienen zum Beispiel Orte mit intensiver Strahlung und Ameisen bauen gern auf Wasseradern“, erzählt Martin Ruepp. „Neben geomantischen Erfahrungen war die systemische Aufstellungstechnik eine weitere Methode, um die Geschichte der Orte zu erkunden. Diese Technik ist uralt, aber sehr einfach und hat wieder Eingang in das Bewusstsein der Menschen gefunden. Mit erstaunlicher Genauigkeit kommen hier Informationen zutage, die tief in jeder Ahnenlinie schlummern und von Generation zu Generation weitergegeben werden und auch an den Orten selbst lebendig geblieben sind. Jeder Ort ist auch mit seinen Menschen verbunden, die dort gelebt und ihn geprägt haben, er speichert diese Ereignisse“, erklärt Astrid Amico.
5-ELEMENTE PRÄSENTATION
Am 28. April wurde das Buch beim Stanglerhof in Völs mit einer 5-Elemente Präsentation vorgestellt. Die beiden Autoren lasen einige Passagen aus ihrem Werk vor, gefolgt von atemberaubenden Bildern der mystischen Südtiroler Kraftorte. Musik, ein Gongbad, Räucherungen und fünf verschiedene Heil-Quellwasser aus ganz Südtirol bereicherten den Abend. Der Einladung waren zahlreiche Gäste und Mitwirkende gefolgt.
(TL)