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Gelebtes Brauchtum

Kropfnbettl, Pitschile-Sing, Prozessionen und das Tragen der Tracht. All diese Bräuche, die seit Jahrhunderten gelebt werden, zeugen von einem unverwechselbaren Bild unseres Landes.
Der hat mit der Landesbäuerin über den Sinn des Brauchtums und der Bezirksbäuerin des Pustertals über gelebte Bräuche im Pustertal gesprochen.

Puschtra: Die Bäuerinnen sehen es als ihren Auftrag Bräuche und Traditionen zu pflegen und dafür zu sorgen, dass sie weiterleben. Warum sind Bräuche so wichtig?
Antonia Egger: Bräuche geben im Leben Halt und lassen die Familie zusammenwachsen. Bräuche sind auch immer mit Gemeinschaft verbunden, sie stärken zum Beispiel die Dorfgemeinschaft. Der Mensch sucht und braucht Bräuche, um diese Gemeinschaft zu leben. Deshalb ist es uns wichtig, dass

Für die Landesbäuerin Antonia Egger haben Prozessionen eine besondere Kraft.

Bräuche belebt und weitergetragen werden. Auch, dass Bräuche wiederbelebt werden, wie jener der Kräuterweihe. Vor Jahren noch wurde die Kräuterweihe am 15. August nicht mehr gelebt, wir als Bäuerinnenorganisation zusammen mit den Katholischen Frauen haben auch diesem Brauch wieder in unser Leben geholt. Deshalb war uns auch das Brauchtumsbuch ‘Lebendige Bräuche in Südtirol‘ ein Anliegen.

Südtirol wird immer multikultureller. Hat diese Entwicklung Ihrer Meinung nach Auswirkungen auf unsere Traditionen?
Teils, teil; aber ich denke, dass oftmals genau dieser multikulturelle Mix es ausmacht, dass man sich wieder und bewusster mit den eigenen Bräuchen und der eigenen Identität auseinandersetzt. Was mir dazu einfällt, ist Halloween, das vor einigen Jahren noch viel stärker vorhanden war als jetzt und da ist auch gut so, weil dieser Brauch bei uns nicht beheimatet ist. Der Brauch soll da gelebt werden, wo er hingehört und seinen Ursprung hat.

Sind Bräuche Ihrer Meinung nach überhaupt einem Wandlungsprozess unterworfen?
Ja, das sind sie, aber weniger durch multikulturelle Einflüsse, sondern mehr durch den Wandel der Zeit. So zum Beispiel gab es früher bei einem Faschingsumzug mehr Tiere, heute sind es mehr Maschinen. Sehen kann man diese Entwicklung auch beim Essen, wo zum Beispiel Getränke neu dazugekommen sind oder das Hauptgericht durch andere Speisen abgeändert wurde.

Gibt es Bräuche oder Traditionen aus ihrer Kindheit, die in Vergessenheit geraten sind?
Ein Brauch, der mir dazu einfällt, ist dass eine Frau früher in vielen Südtiroler Orten nach der Geburt eines Kindes ein ‘Germbrot‘ geschenkt bekommen hat. Ein ‘Germbrot‘ war ein besonders nährstoffreiches Brot, das die Frau nach der anstrengenden Geburt stärken sollte.

Am 26. Oktober 2019 wurde das erste Mal der Nationale Tag der Bräuche gefeiert. Wie ist es dazu gekommen?
Bräuche sind in allen Ländern wichtig. Uns vom Landesbäuerinnenrat war es deshalb ein Anliegen einen Tag des Brauchtums einführen zu lassen und dazu haben wir uns an den Kulturlandesrat gewandt. Wir haben den 13. September vorgeschlagen, den Tag der Heiligen Notburga, die die Patronin der Bauernleute ist. Leider ist es dieser Tag nicht geworden, sondern der 26. Oktober. Warum die Regierung diesen Tag ausgesucht hat, war uns nicht klar. Was uns ein Anliegen ist, nach diesem nationalen einen internationalen Tag des Brauchtums anzustreben, weil so ein Tag dann international bedeutend ist. Wie werden versuchen uns zu diesem Tag jedes Jahr etwas anderes einfallen lassen, um dem Tag Bedeutung zu schenken.

Erst vor kurzem wurde Allerheiligen und Allerseelen gefeiert. Ein Brauch, der im ganzen Land begangen wird. Wird dieses Fest bei Ihnen daheim noch traditionell begangen?
Bei uns wird dieser Brauch mit Gräberbesuch und Andacht begangen. Es ist ein Familientag, wo sich alle Familienmitglieder treffen. Auch ein Patentag, wo die Patenkinder neugierig auf die ‘Henne‘ und den ‘Hos‘ gewartet haben, als sie noch klein waren. Mit Allerheiligen stellt sich mit den dunklen Abenden auch eine ruhigere Zeit ein. Die große Arbeit draußen ist getan, man zieht sich ins Haus zurück.

Im ganzen Land wird verschiedenes Brauchtum gelebt. Welche Traditionen gefallen Ihnen in ihrer Gegend besonders?
Mir gefallen vor allem die Prozessionen, weil diese einerseits Zeugnis geben von unserem Glauben und andererseits sieht man, wie die Menschen voll und ganz mit dabei sind. Diese Prozessionen sind nicht nur Umzüge, sondern ein Umgänge, wo gebetet, über den Sinn und über das Leben reflektiert wird. Das ganze Dorf beteiligt sich daran, trägt Festtagskleidung, Fahnen und Statuen werden mitgetragen, die Musikkapelle spielt ihre Lieder…Für mich ist es jedes Jahr wieder beindruckend. Jetzt im Herbst finden vorwiegend die Erntedankprozessionen statt.

Was liegt Ihnen in Sachen Brauchtum besonders am Herzen?
Dass man Bräuche pflegt, weil sie für einen selbst wichtig sind, eine Bedeutung haben und Halt geben und nicht, dass man sie pflegt, damit man für andere etwas darstellt.

Die Bezirksbäuerin des Pustertals, Renate Taschler Steinwandter, erzählte im Interview mit dem von gelebten Bräuchen im Hochpustertal.

Renate Taschler Steinwandter hat es das Klöcklnachtsingen besonders angetan.

Erntedank und Kirchtag
„Erntedank und Kirchtag wird in Toblach zusammen gefeiert. Heute wird bei uns zum Beispiel von der Bauernjugend die Erntekrone gefertigt, die dann bei der Prozession mitgetragen wird. Dabei besinnt man sich darauf zu danken“, berichtet die Bezirksbäuerin. Beim Toblinger Kirchtag sei es Tradition den Kirchtagsbaum am Samstag mit dem Michl am Baum, mit Hand aufzustellen. Der ‘Michl‘ werde dann nach dem Kirchtagsonntag auch zuerst wieder vom Baum geholt, bevor der Baum zerschnitten wird, weiß Renate Taschler Steinwandter zu berichten. Das sei eine Besonderheit in Toblach, denn in anderen Orten bleibt der ‘Michl‘ auch beim Abbau des Baumes auf dem Kirchtagsbaum. „Der ‘Michl‘ und die Mutter des Jungen, der ihn vom Baum geholt hat dürfen anschließend eine Runde tanzen“, erzählte die Bezirksbäuerin lachend.

Klöcklnachtsingen
Ein Brauch, der sie besonders fasziniert und sich Jahr für Jahr auf ihn freut ist das Klöcklnachtsingen in Toblach. Dieser Brauch bringe in dieser hektischen Zeit Ruhe in die Familien. „Früher haben sich immer Männer in schweren Lodenmäntel und Hüten, meist arme Knechte auf den Weg gemacht, haben an die Haustür geklopft und weihnachtliche Lieder gesungen für eine Spende“, erzählte Renate Taschler Steinwandter. Dieser Brauch, den die Bezirksbäuerin schon als Kind erlebt hat, wird auch heute noch in dieser Gegend gelebt. „In Toblach praktiziert der Männergesangsverein diesen Brauch, bei uns, in der Pfarre Wahlen, sind es heute drei Frauen und zwei Männer, die in der Adventszeit von Haus zu Haus ziehen und ihre Lieder anstimmen.“

Räuchern
Beim Stolpahof, wo die Bezirksbäuerin zu Hause ist, werden auch die Rauhnächte traditionell begangen. „Bei uns wird dreimal geraucht: am Heiligen Abend, zu Silvester und am 5. Jänner.

Bei der Erntedankprozession wir eine Erntekrone mitgetragen.

Dabei beten wir den Rosenkranz und hoffen, dass niemand uns in dieser Zeit besucht, weil das Unglück in die Familie bringt“, erzählt die Bäuerin. Deshalb werde auch die Haustür während dieses Rituals zugesperrt. Vor der Bescherung zieht die ganze Familie betend durch den gesamten Hof, dabei geht der Hausherr mit einem alten Bügeleisen mit Weihrauch voraus, es folgen der Vorbeter und die Kinder mit dem Weihwasser. „Zuletzt bevor es in die Stube geht, wird vor dem Haus noch weggeraucht“.

Das Butter-Lamm
Die Bezirksbäuerin weiß uns auch über den Osterbrauch seine Besonderheiten zu berichten. „Im Weiler Wahlen ist alle zwei Jahre das Ostergrab Tradition. 2020 ist es wieder soweit: Das Schönste am Ostergrab sind die rot, grünen und gelben Glaskugeln, die mit farbigen Flüssigkeiten gefüllt werden und anschließend mit Kerzen beleuchtet“. Traditionell zubereitet wird im oberen Pustertal auch das Osterlamm aus Butter. Die Butter zu kneten und daraus ein Lamm zu formen sei kein leichtes Unterfangen, wie die Bezirksbäuerin bestätigt. „Dennoch ist es in Toblach immer wieder so, dass gar einige sich die Mühe machen ein traditionelles Osterlamm herzustellen. In früherer Zeit hat der Bauer die Butter, genauso wie den Speck selbst hergestellt, auch die Eier und der Kren kamen vom Hof. Genau diese Speisen kamen auch in den Osterkorb zur Osterweihe und zu Mittag als erste Speise auf den Tisch. Beim Osteressen und auch am Christtag war es zudem Brauch, dass kein Außenstehender beim Essen mit dabei war, sondern nur Familienmitglieder“, sagte Renate Taschler Steinwandter. Am Ostermontag sei es auch heute noch Tradition Ostereier zu „guffen“. (TL)