Heuer feiern wir das 150-jährige Bestehen der Pustertaler Bahnstrecke. Was damals aus einer militärischen Überlegung heraus gebaut wurde, war für die meisten Pusterer damals die sicherste und günstigste Möglichkeit größere Strecken zu fahren.
Die Idee Zur Bahn im Pustertal
Im Jahre 1866 nach dem „Bruderkrieg“ dem Krieg zwischen Preußen und Österreich erfolgte die Abtretung Venetiens an Italien. Im selben Jahr noch wurden die Konzessionen für einige Bahnlinien, darunter Klagenfurt bis Villach erteilt. Die weitere logische Überlegung war schlussendlich eine Verbindung von Villach nach Franzensfeste. Die „K.K. private Südbahn Gesellschaft“ war eine private Aktiengesellschaft, die den Plan hatte das Bahnnetz von Wien über Graz, Laibach bis nach Triest, welches damals noch österreichisch war zu bauen. Durch den Verlust Venetiens konnte der ursprüngliche Plan, von Innsbruck über Bozen nach Verona und von dort nach Triest eine Strecke zu bauen, nicht mehr durchgeführt werden. Somit hatte die Gesellschaft zwei Einzelstrecken, welche unbedingt als oberstes Ziel verbunden werden mussten. Bis 1869 dauerten die Verhandlungen zwischen Staat und Südbahn-Gesellschaft und nach zweijähriger Bauzeit erfolgte bereits die Inbetriebnahme der Strecke Villach – Lienz- Franzensfeste. Die Planung der gesamten Strecke oblag neben dem Baudirektor Carl Prenninger, dem bereits bekanntesten Bahnstreckeningenieur Wilhelm Flattich, welcher bereits den zweiten Wiener Südbahnhof erbaute. Flattich war bei sämtlichen Hochbauten der Pustertalbahn der damalige Experte.
Die gesamte Strecke wurde in ein einheitliches, typisiertes architektonisches Bild gerückt. Sowohl Stationshäuser, dazugehörige Gebäude wie Güterschuppen, Lokschuppen, Wasserstationen und Streckenabschnitte sollten homogen wirken und dies erkennt man heute noch wenn man sich die Stationen im Pustertal anschaut.
Die Strecke
Sieht man sich heutzutage im Internet oder auch in Büchern um, so kann man sagen, dass die Pustertaler Bahnstrecke eigentlich eine sehr unbekannte Strecke im Alpengebiet darstellt. Und das obwohl sie alle Eigenschaften einer Gebirgsbahn aufweist: Steigungen bis 25 Promille, Bogenhalbmesser herab bis 245 Meter und eine erreichte Seehöhe von 1.210 Metern, welche höher ist als die Gotthardbahn. 1854 weist die Pustertalbahn nun den südlichsten Ost- West-Korridor des k.u.k. Reiches auf. An der ursprünglich geplante Stelle von Verona ist nun Franzensfeste getreten.
Man konnte nun in recht guter Zeit und ohne größeren Aufwand das Pustertal besuchen bzw. passieren. Durch die Erschließung der Eisenbahn im Pustertal erlebten einige Ortschaften ihre ersten Aufschwünge in touristischer Hinsicht. Ebenso begann für die Pustertaler Bevölkerung, die eigentlich immer recht abgeschnitten war eine äußerst interessante Zeit, denn alles was Rang und Namen hatte wollte in dieses neue schroffe, noch unentdeckte Gebiet kommen.
Die Bahn und die Touristen
Allein den Nutzen, den Ortschaften wie Toblach, das Höhlensteintal sowie Sexten und Prags aufgrund der Eisenbahnerschließung erlebten führten zu einem regelrechten Aufschwung in wirtschaftlicher Hinsicht. Das nun Touristen ankamen, hatte allgemein eine Steigerung sämtlicher wirtschaftlicher Sektoren, sei es Handel oder Industrie zur Folge. Im Jahr 1878, bereits sieben Jahre nach der Gründung der Bahn, errichtete die Südbahn-Gesellschaft das „Grand Hotel“ in Toblach. Dieses Hotel war das erste Alpenhotel der Habsburger Monarchie und sozusagen das Tor in die Dolomiten und nach Ampezzo. Das Grand Hotel hat bis heute noch diese typische architektonische Gestaltung von Wilhelm Flattich, der es geplant hat. Und das Hotel war ein voller Erfolg, denn bereits 1879 und noch einmal 1885 erfolgten Ausbauarbeiten und Erweiterungen der Anlage. 1888 wurde das Hotel an das Pächterehepaar verkauft und weitere vier Jahre später als Erweiterung ein zweites Hotel gebaut, welches mittels gedeckten Verbindungsgängen mit dem Bestand verbunden wurde. Um 1900 galt somit das Grand Hotel Toblach, mit dem inkludierten Fürstenhof, als das größte Alpenhotel Österreichs mit 250 Zimmern. 1887 war bereits der erste hochkarätige Gast zum Aufenthalt in Toblach angereist, der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm. Daraus zog man seine Vorteile und konnte so in den Reiseführern werben, was wiederum viele neue Kunden anzog.
Was die Bahn noch brachte
Was viele vielleicht nicht berücksichtigen, aber die Bahn brachte neben dem Warentransport und Touristen noch eine weitere wichtige technologische Errungenschaft: Das gesamte Streckennetz wurde beim Bau auch mit Telegrafenlinien versehen. Das bedeutete dass jede Bahnstation im Pustertal mit Telegraphen versehen war und dies stellte eine bahnbrechende Neuerung dar. Die Kommunikation war somit extrem fortgeschritten, und blicken wir nur 15 Jahre zurück, so verdanken viele Ortschaften heute ihre Glasfaserleitung für das Internet ebenso den Anschlüssen der Bahnlinien. In den zwei Jahren, in dem das gesamte 210 Kilometer lange Streckennetz gebaut wurde und zusätzlich noch zehn Monate früher fertig wurde arbeiteten ganze Dörfer am Bau mit. Es war harte Arbeit aber gute Bezahlung und die ließ sich so mancher Tagelöhner sicherlich nicht entgehen. Schließlich konnte man dort für zwei Jahre Arbeit finden. Im Schnitt waren 966 Arbeiter täglich eingesetzt. Neben der gesamten Strecke wurden Bahnstationen, Aufenthaltsgebäude sowie die Wärterhäuser mitaufgebaut. 1870 traf die erste Dampflokomotive für Materialfuhren ein.
Die Arbeiter und die erste Fahrt
Die Bahnstrecke Villach – Lienz – Franzensfeste kostete insgesamt 27,3 Millionen Gulden. Am Bau der Brennerbahn waren ca. 10.000 Arbeiter direkt als Arbeitskräfte eingesetzt. Man weiß, dass im September 1871 allein auf der Strecke Welsberg-Olang 1.400 Arbeiter beschäftigt waren. Neben den Einheimischen auch viele italienischsprachige Trientner. Als Lazarett für Arbeitsunfälle oder kranke Arbeiter diente Burg Heinfels in Osttirol. Gegessen wurde hauptsächlich „Plente“ und abends im Gasthaus der jeweiligen Dörfer getrunken. Die Eigentliche Eröffnung der Strecke Villach-Franzensfeste fand am 20. November 1871 statt und wurde in Lienz äußerst feierlich begangen. 300 Ehrengäste, darunter der Tiroler Landeshauptmann Eduard von Grebmer und Bürgermeister Johann von Zieglauer sowie auch Hochbaudirektor Flattich aus Wien waren anwesend. Unter Böllerschüssen startete das Dampfross Richtung Franzensfeste. In Bruneck ging das Eintreffen der ersten Bahn sang- und klanglos über die Bühne, da der Zug spät in der Nacht eintraf, als ihn keiner mehr erwartete. Von nun an gab es täglich drei Verbindungen von Lienz nach Franzensfeste. Ein Eilzug benötigte vier Stunden, ein Personenzug acht Stunden. Von Lienz nach Innsbruck benötigte man in der Nacht mit Umsteigen und Aufenthalt in Franzensfeste ca. 9,5 Stunden.
Tirols Neueinteilung 1868
Durch die Neueinteilung Tirols bzw. der Distrikte, entstand nun der Bezirk Bruneck und Lienz als eigener verwaltungstechnischer Apparat. Dies hatte einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung ohnegleichen bis dato zur Folge. Die Bezirkshauptstädte profitierten von den Ablösesummen von den Südbahnen und es folgte ein sehr starker Zulauf an Sommerfrischlern. Der Deutsche und Österreichische Alpenverein entdeckte in dieser Zeit die Dolomiten, erste Bergfotografen waren unterwegs und trugen die Bilder in die Welt hinaus. Die Einheimischen stellten sich um, wer ein Gespann hatte, bot direkt am Bahnhof den Transport zum Hotel oder vom Hotel zum Ausflugsort an, Obstexporte, Milch und Käse alles wurde verkauft. Um zu verhindern, dass die Touristen nicht an Bruneck vorbeifuhren, rief Grebmer der damals Bürgermeister in Bruneck war, den ersten Stadtverschönerungsverein Tirols ins Leben, und das bereits 1870. Dazu hieß es im Pustertaler Boten „Seitdem das schnaubende Dampfroß nun auch das Pusterthal durchzieht, ist der Fremdenverkehr, so wie das Leben und Treiben in diesem Thale ein viel regerer und lebhafterer geworden. Begeben wir uns heute in das Städtchen Bruneck, mit dem Zuge am Bahnhof angelangt stehen schon Packträger und Dienstmänner zur Übernahme des Gepäcks, elegante Omnibusse zur Aufnahme des ermüdeten Reisenden bereit, welcher ihn nach einer Fahrt von zehn Minuten einem recht schönen Gasthause zuführen.“
Und dann kam der Weltkrieg
Der Zweck der Bahn erfüllte im Weltkrieg leider die Überlegung, zu welcher genau die Bahn damals konzipiert wurde. Truppentransporte und Material- sowie Waffentransporte wurden nun zum Alltag. Aufgrund des äußerst intelligent ausgebauten Streckennetzes war Österreich-Ungarn in der Lage seine Truppen vom östlichsten Kriegsschauplatz direkt zur Front in den Süden in kürzester Zeit zu transportieren. Wer Glück hatte arbeitete bei der Bahn und wurde nicht eingezogen, bzw. als Sicherungsabteilung eingesetzt. Man ersparte sich die Grauen des Krieges, bekam aber natürlich trotzdem genug mit, allein an den ganzen Krankentransporten über die Zugstrecken. Bruneck und Lienz wurden zu einer der wichtigsten Drehscheiben zusammen mit Toblach für die Südfront. Sowohl Toblach als auch Lienz wurden einige Male während des ersten Weltkrieges direkt unter Beschuss genommen. Als das plötzliche Kriegsende eintraf, mussten Hundertausende Soldaten innerhalb kürzester Zeit aus dem nun von Italien beanspruchten Gebiet transportiert werden. Durch den Friedensvertrag von Saint Germain 1919 wurde Tirol effektiv in drei Teile geteilt. Nord- und Osttirol waren nun nicht mehr direkt verbunden, Südtirol blieb bei Italien. Mit dem Vertrag von Saint Germain verlor die Südbahngesellschaft und den neuen Grenzziehungen 70 Prozent der eigenen Strecken und wurde 1923 zur Donau-Alpen-Adria-Eisenbahn-Gesellschaft umbenannt. Am 1. Januar wurden die österreichischen Streckenteile der Pustertalbahn von den neu gegründeten Österreichischen Bundesbahnen übernommen.
Und heute?
Nachdem die Bahnen, also die Italienischen Bahnen und Österreichischen Bahnen elektrifiziert wurden, stand zuerst jede Bahn für sich. 1984 nachdem sich Senator Peter Brugger und Ercole Semenza, Generaldirektor der italienischen Bahnen stark für eine Zusammenarbeit mit der ÖBB einsetzten, traf man sich am 9. März um den Grundstein für alles zu legen, wie wir es heute kennen. Mit der Europaregion Tirol, dem Korridorverkehr der ÖBB nach Innsbruck und nun auch den Möglichkeiten wieder direkt mit dem Zug durch das Pustertal auch bis Lienz zu fahren erkennt man den Wert den die Bahn auch heutzutage noch hat. (JR)