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Beruf Hirtin

An der Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern in Vahrn kann erstmals die Berufliche Qualifikation als Hirte oder Hirtin erworben werden. Der hat beim Direktor der Fachschule und der Projektverantwortlichen nachgefragt, was diese Ausbildung alles zu bieten hat. Zudem lässt uns die erfahrene Schäferin Astrid Summerer an ihren Erlebnissen auf ihrer Transhumanz durch Italien teilhaben.

Astrid Summerer mit ihrer Schafherde und ihren Border Collis Nell und Lampo.

Astrid Summerer hat ihren Platz gefunden: Die gebürtige Sextnerin ist Schäferin mit Leib und Seele und arbeitet mit einer Wanderherde mit etwa 2.000 Schafen. Im Sommer ist die Herde auf einer Alm, den Winter über geht es zu Fuß in Friaul-Julisch-Venetien von Forni Avoltri bis an die Adria, kurz vor Grado und im Frühling zurück Richtung Berge. „Die Transhumanz gehört im italienischen Raum zur Tradition. Früher war ich im Sommer als Hirtin auf verschiedenen Südtiroler Almen und in der Schweiz, dort auch im Wolfsgebiet“, erzählt Astrid Summerer. Da Sie der Herdenschutz (Behirtung mit Hunden) und die Hütehunde schon immer interessiert haben, absolvierte die Sextnerin dann in der Schweiz auch die zweijährige Schafhirtenausbildung.
Doch die Liebe zu den Schafen und der Natur begleite sie schon ein Leben lang. Angetan hätten es ihr auch die Herdenschutzhunde. Sie selbst besitze zurzeit zwei davon: Einen Pyrenäenberghund, den sie bereits für die Arbeit ausgebildet aus der Schweiz geholt hat und eine Apruzzesehündin. „Diese zwei Herdenschutzhunde sind ständig in der Schafherde und bewachen diese Tage und Nacht. Dann sind noch etwa neun Hütehunde in der Herde im Einsatz. Dazu kommen meine zwei Border Colli, die für so große Transhumanz-Herden wie diese eigentlich nicht so gut geeignet sind, ihre Arbeit aber dennoch recht gut machen. Da wir viel an Straßen und Feldgrenzen unterwegs sind, braucht es dafür hauptsächlich Hunde, die ‘Linie‘ halten und bellen, um die Schafe zu kontrollieren“, erzählt die Schäferin. An Herden wie diesen wird laut Astrid deshalb hauptsächlich mit Belgischen Schäferhunden und „Lagorai Schäferhunden“ gearbeitet.
Der Tag von Astrid Summerer ist lang. Die Arbeit beginnt am frühen Morgen, denn da ist die Sextnerin mit ihren zwei anderen Schäfern bereits in den für die Schafe aufgebauten Nachtpferchen unterwegs, um neugeborene Lämmer zu suchen und sie zu markieren. „Die kleinen Lämmer, schwache und kranke Tiere werden anschließend in den Hänger verladen. Dann werden die vier bis fünf Netze abgebaut und mit der Herde gestartet. Oft sind es an die 20 Kilometer am Tag“, berichtet die Schäferin. Während dem Weiden werde die Herde stets von den Schäfern und Hunden bewacht und über Mittag erneut eingezäunt, damit die Lämmer bei den Müttern saugen können. Anschließend gehe die Reise weiter und am Abend würden die Schafe, immer in der Nähe der Wohnwagen, im Pferch ihre Nacht verbringen, erzählt Astrid Summerer über ihren Tagesablauf.
Der Herdenschutz mittels Hütehunde und Zäunen funktioniere nicht nur in diesem Gebiet auch in der Schweiz und in Südtirol habe sie in hochalpinem Gelände schon Zäune aufgestellt, meint Astrid Summerer. Die Schafe würden durch kontinuierliches Einzäunen mit mobilen Zäunen zu einer homogenen Herde verschmelzen, die so besser geschützt werden kann. Auch auf die Herdenhunde müssten sich die Schafe erst einstellen und sich so schrittweise an diese Form der Behirtung gewöhnen.
Dass jetzt auch in Südtirol ein Qualifikationslehrgang für Hirten angeboten wird, findet Astrid Summerer sehr gut: „Der Beruf des Hirten ist einer der ältesten überhaupt, aber leider fast ausgestorben. Es ist wichtig, dass es eine Ausbildung gibt. Allerdings ist es sinnvoll dass die Ausbildung, neben den theoretischen Inhalten, auch ein Praktikum auf der Alm beinhaltet. In der Schweiz ist es so, dass im Sommer ein neunwöchiges und im Winter ein sechswöchiges Praktikum Pflicht sind. Auch eine Hütehundeausbildung gehört zu einer guten Ausbildung dazu.“

Interview mit dem Direktor der fachschule salern Martin Unterer

Martin Unterer, der Direktor der Fachschule Salern.

Puschtra: Ab Februar 2022 startet an der Fachschule Salern ein Qualifikationslehrgang für Hirtinnen und Hirten. Wie kam es dazu?
Direktor Martin Unterer: Einige engagierte Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Weidekultur sind mit dem Wunsch an mich herangetreten eine Ausbildung für Hirten zu schaffen: Zum einen, um eine anerkannte berufliche Qualifikation für diesen Beruf zu erlangen und zum anderen dem Beruf des Hirten mehr Anerkennung zu verleihen.

Wie wichtig ist so eine Ausbildung für Südtirol?
Durch das Vermehrte Auftreten von Wolf und Bär braucht es natürlich mehr Behirtung auf den Almen und diese zertifizierte Ausbildung ist der Weg dorthin. Zudem ist für eine ökologisch sinnvolle Nutzung der Almen und Beweidung ein Hirte notwendig, der darauf achtet, dass Flächen unterschiedlich intensiv beweidet werden.

Die Teilnehmer können sich nach der erfolgreichen Absolvierung des Lehrgangs Hirte/Hirtin nennen. Wo wird diese berufliche Qualifikation überall anerkannt?
Die berufliche Qualifikation ist im Verzeichnis des Landes eingetragen. Die Kompetenzbescheinigung die die Teilnehmer erhalten ist eine öffentliche Urkunde und somit im Inn- und Ausland anerkannt.

Am 11. November 2021 ist an der Fachschule erstmals ein Hirtentag geplant. Was wird an diesem Tag Programm sein?
Ja, der Hirtentag sollte bereits im letzten Jahr abgehalten werden, fiel aber aufgrund der Pandemie aus. Deshalb laden wird dieses Jahr an diesem Tag alle Interessierten, Hirtinnen und Hirten, Almbäuerinnen und Bauern ein mit uns diesen erstmaligen Hirtentag zu begehen. Dazu haben wir ein vielfältiges Programm zusammengestellt: So werden zum Beispiel Hirten von verschiedenen Almen und ein Besitzer einer Alm sowie ein Obmann einer Alminteressentschaft über ihren Alm-Alltag berichten und der Qualifikationslehrgang für Hirtinnen und Hirten wird im Einzelnen vorgestellt. Dann werden noch Berichte des Amtes für Bergwirtschaft vorgetragen. Geplant ist auch die Vorstellung des EU-Projektes LIFEstockProtect und der Arbeitsgemeinschaft für Weidekultur. Zwischen den Vorträgen ist Zeit für Austausch und Diskussion. Der Hirtentag findet von 9 bis 12.30 Uhr an unserer Schule statt.

Interview mit der Projektverantwortlichen des qualifikationslehrganges Gabriele Falschlunger

Die Ausbildung zur Hirtin/zum Hirten an der Fachschule Salern umfasst an die 100 Stunden. Welche Themen werden in dieser Zeit behandelt?

Gabriele Falschlunger, die Projektverantwortliche des Qualifikationslehrgangs für Hirtinnen und Hirten.

Gabriele Falschlunger: Es gibt drei Hauptbereiche: Tierwohl, Weidemanagemant und Schutz der Tiere und Weiden. Der erste Block beschäftigt sich mit dem Umgang der Tiere und der Tiergesundheit. Hier lernen die Teilnehmer zum Beispiel das Verhalten der Tiere einzuschätzen, den Futterbedarf zu erkennen, lernen das richtige Treiben der Tiere. Dazu wird in diesem Teil auch noch über Melkhygiene und Melktechnik referiert und auch Infrastruktur und Technik auf der Alm werden in diesen Stunden behandelt. Der zweite Hauptteil beschäftigt sich mit dem Schutz der Tiere und Flächen. Darin enthalten ist alles, was mit Herdenschutz und Einzäunung zu tun hat. Es geht aber auch um die Einschätzung des Geländes, erkennen von gefährlichen Stellen usw. Mit dabei ist in diesem Block auch die Arbeit mit Hüte- und Herdenschutzhunden, wo wir auch eine Exkursion machen werden, um die Praxis dazu kennenzulernen. Der dritte Block der Ausbildung wird sich dann mit der Weideführung beschäftigen. Dort werden die Teilnehmer zum Beispiel lernen, wie man eine gute Futterfläche erkennt oder welches Tier wo weiden kann, mit welchen Maßnahmen man die Weidefläche verbessern kann oder wann mit der Beweidung begonnen werden kann.

Beinhaltet die Ausbildung auch die praktische Anwendung des Gelernten?
Die Teilnehmer werden sich für die Ausbildungsinhalte hauptsächlich auf dem Gelände in Salern aufhalten. Da wir über einen landwirtschaftlichen Betrieb verfügen können die Teilnehmer die Praxisstunden dort mit den Experten absolvieren. Dennoch werden wir einige Exkursionstage auf Almen verbringen.

Welche Experten und Referenten werden den Lehrgang begleiten?
Als Schule arbeiten wir mit verschiedenen Organisationen und Projektpartnern zusammen, so zum Beispiel mit dem Amt für Bergwirtschaft, der Arbeitsgemeinschaft für Weidekultur oder dem EU-Projekt LIFEstockProtect: Herdenschutz Österreich, Bayern und Südtirol zusammen, deren Referenten uns für den Lehrgang zur Verfügung stehen werden. Dann gibt es noch externe Experten und Hirten, die mit dabei sein werden. Ebenso wichtig ist, dass sich die Teilnehmer untereinander über ihre Erfahrungen austauschen können.

Gilt der Qualifikationslehrgang für die Behirtung von Schafen, Ziegen und Rindern?
Genau! Im Lehrgang sind Inhalte zu all diesen Tiergruppen enthalten. Etwa, wenn es um die Tiergesundheit geht, werden wichtige Krankheiten von allen drei Tierarten behandelt.

Welches ist die Zielgruppe für den Qualifikationslehrgang?
Der Lehrgang richtet sich an angehende Hirten und auch solche, die bereits als Hirten auf einer Alm gearbeitet haben.

Wann wird der Lehrgang starten?
Die Ausbildung startet erstmals im Februar 2022 und schließt dann im Mai ab, wenn die Almsaison beginnt. Die Anmeldungen laufen bereits. Nähere Informationen finden sich auf der Homepage unserer Schule: www.fachschule-salern.it.

Gibt es Voraussetzungen, die notwendig sind, um den Lehrgang besuchen zu können?
Nein, es sind keine Voraussetzungen notwendig.

Wo haben Sie sich das nötige Knowhow für die Inhalte des Lehrgangs geholt?
Eine enge Zusammenarbeit gab es mit dem Amt für Weiterbildung, das die zuständige Stelle für die Erarbeitung eines Berufsqualifikationslehrgangs darstellt. Hier hat man sich italienweit nach bereits vorhandenen, vergleichbaren Ausbildungen umgesehen. Fachlich haben wir uns auch mit Projektpartnern in Deutschland und Österreich ausgetauscht und natürlich auch die Meinungen von erfahrenen Hirt/innen eingeholt.

Wie viele Plätze sind für den Lehrgang vorgesehen?
Die Mindestteilnehmerzahl beträgt 12, die maximale Teilnehmerzahl 20.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach einen guten Hirten aus?
Oh, da gehört ganz viel dazu! Ein guter Hirte benötigt viel verschiedenes Wissen und umfangreiche Kompetenzen. Schon allein die Tatsache, dass die Arbeit meist ja allein eingeschätzt und bewältigt werden muss, braucht ein großes Maß an Selbstvertrauen und Coolness. Ich hoffe, dass wir mit dem Lehrgang eine gute Grundlage für die Ausübung dieses Berufes geben.

Sehen Sie in Südtirol genügend Arbeitsmöglichkeiten für diese Ausbildung?
Das Betätigungsfeld ist in Südtirol durchaus da und durch das vermehrte Vorkommen von Wolf, Bär und Goldschakal bekommt die Behirtung ein neues Gewicht. Ein guter Hirte mit entsprechender Erfahrung ist grundsätzlich sicher gefragt. Knackpunkte sind sicher noch die Bezahlung und weitere Rahmenbedingungen. (TL)