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Zukunft Landwirtschaft

Dietenheim – Zum 100-Jahre-Jubiläum hat das Unternehmen Dr. Schär in Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrum Laimburg ein Projekt im Pustertal gestartet. Auf einem Feld in Dietenheim wurden 100 verschiedene Sorten von verschiedenen Nutzpflanzen angebaut. Bei diesem Freilandversuch stehen Nachhaltigkeit und Biodiversität im Fokus.

Das Projekt Field100 im Pustertal ziele darauf ab, eines der Felder mit der größten Artenvielfalt zu schaffen, das jemals kultiviert wurde, erklärt Dr. Schär CEO Philipp Schoeller. Man wolle laut dem CEO: Ein starkes Signal setzen, denn die biologische Vielfalt der Pflanzen ist in Gefahr, was auch schwerwiegende Folgen für den Zugang zu Nahrungsmitteln hat. Als Lebensmittelunternehmen, dessen Aufgabe es ist, das Leben von Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen zu verbessern, wollen wir an vorderster Front stehen und diesen Umschwung anführen, um diesen Reichtum zu erhalten und zu fördern“. Durch das Projekt im Pustartal habe man die Möglichkeit die Koexistenz von aktuellem Saatgut mit alten Sorten zu untersuchen. Es würden die Resistenz der Pflanzen gegen den Klimawandel und ihre Anpassungsfähigkeit beobachtet sowie nach der Ernte die gesammelten Samen an die Genbank der Laimburg gespendet, wo diese für zukünftige Generationen eingelagert werden, erklärt Dr. Schär Präsident Ulrich Ladurner.

Pflanze für die Zukunft: Die Rispenhirse kommt mit sehr wenig Wasser aus und passt sich gut an hohe Temperaturen an.

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums habe das Unternehmen auch seine Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlicht: eine-gruenere-welt (drschaer.com). Die drei Säulen, auf denen diese Strategie ruhe, seien die Förderung von Biodiversität und nachhaltiger Landwirtschaft, eine immer umfassendere Verwendung nachhaltiger Verpackungen, um 2024 nur mehr recycelte, recycelbare oder kompostierbare Verpackungen zu verwenden und die Menge an Verpackungen um 25 Prozent zu reduzieren sowie die Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks entlang der gesamten Produktions- und Vertriebskette.
Der offizielle Jubiläumsstart erfolgte mit der Besichtigung des Field100 und einem Jazz-Konzert am 2. Juli 2022 in Bruneck/Dietenheim. Anschließend sind noch bis Jahresende eine Reihe von Veranstaltungen geplant, so etwa eine Jubiläumsgala im Zuge des Südtirol Festivals Merano/Meran, eine Kunst- und Musikperformance im Rahmen von Transart am Sitz von Dr. Schär in Burgstall. Der Abschluss der 100-Jahr-Feierlichkeiten wird ein Event bei der Meraner Weihnacht sein, schließt Philipp Schoeller ab.

Das Interview
Dr. Manuel Pramsohler und Msc. Angelika Ruele, Arbeitsgruppe Acker- und Kräuteranbau, Versuchszentrum Laimburg begleiten das Projekt Field100 und informieren im Interview.

Dr. Schär Präsident Ulrich Ladurner beim ersten Jubiläumsevent in Dietenheim.

Puschtra: Für das Projekt Field 100 wurde ein Standort im Pustertal gewählt. Warum?
Manuel Pramsohler: Das Field 100 mit 1.000 Quadratmeter Fläche befindet sich in einer für den Ackerbau günstigen Höhenlage. Auch ist das Klima in Dietenheim für die ausgewählten Pflanzen ideal. Dazu kommt, dass wir hier unsere Versuchsflächen haben und auch alle Infrastrukturen vor Ort sind, die wir für den Anbau und die Ernte benötigen.

Auf dem Field 100 wachsen genau 100 verschiedene Kulturpflanzen (Sorten). Können Sie uns einige Beispiele dazu nennen?
Angelika Ruele: Vorweg ist zu sagen, dass von allen Kulturpflanzen jeweils alte Sorten und aktuelle Sorten im Anbau zu finden sind. Bei der Auswahl der Sorten wurde unter anderem darauf geachtet, dass diese für unser Klima geeignet sind und auch zur Reife kommen können. Es wurden Hafer Landsorten aus Südtirol, Lein, Linsen – darunter auch Sorten aus Russland und Deutschland – Erbsen, Sorghumhirse, Quinoa – darunter auch Sorten aus Südamerika – Mais, Sonnenblume, Bohne, Buchweizen, Rispenhirse, Amaranth – darunter auch Sorten aus Nepal – und Soja ausgesät.

Aus welchen Genbanken stammt das Saatgut, das für die Aussaat verwendet wurde?
Manuel Pramsohler: Aus der Genbank des Versuchszentrums Laimburg stammen an die zehn Hafer-Landsorten. Aus der Tiroler Genbank, die übrigens heuer auch ihr 100-Jahr-Jubiläum feiert, zu den ältesten Genbanken weltweit zählt und Kulturpflanzen aus dem Alpenraum beinhaltet, stammen ca. 15 Sorten. Zudem stammen 20 alte Sorten aus der IPK Genbank Gatersleben (D), die zu den weltweit größten Sammlungen von Kulturpflanzen zählt. Einige aktuelle Sorten stammen aus dem Saatguthandel.

Diese verschiedenen Nutzpflanzen sind alle glutenfrei?
Angelika Ruele: Ja genau! Es wurden nur glutenfreie Arten ausgewählt, alle kommen in Produkten von Dr. Schär zum Einsatz.

Dr. Schär CEO Philipp Schoeller.

Welche Erfahrungen für die Landwirtschaft konnten bis jetzt mit diesem Freilandversuch in Dietenheim gemacht werden?
Manuel Pramsohler: Als erste grundsätzliche Information kann gesagt werden, dass alle Kulturen gut wachsen, auch solche Arten, mit denen es noch keine Anbauerfahrung in Südtirol gibt, wie zum Beispiel Amaranth, Quinoa auch Soja. Bei diesen Sorten hatten wir anfangs auch Zweifel, da sie sehr wärmeliebend sind. Erst nach der Ernte können wir weitere Aussagen, unter anderem zur Qualität und zum Ertrag, machen.

Auch vor Südtirol macht der Klimawandel nicht halt. Können aus diesem Projekt schon Schlüsse daraus gezogen werden, welche Sorten sich für Südtirol künftig gut eignen würden?
Angelika Ruele: Momentan ist es für die vollständige Beantwortung dieser Frage noch etwas zu früh, da wir die Abreife der verschiedenen Sorten abwarten müssen. Was man schon sagen kann ist, dass Arten wie die Rispenhirse, die mit sehr wenig Wasser auskommen und gut an hohe Temperaturen angepasst sind, sich gut entwickelt haben. Interessanterweise wurde Hirse vor mehr als 100 Jahren bei uns in Südtirol noch angebaut, aus dieser Zeit stammt zum Beispiel die Tiroler Rispenhirse.

So viele unterschiedliche Pflanzen heißt auch ganz unterschiedliche Klimaanforderungen. Waren die Witterungsverhältnisse in diesem Frühjahr und Sommer für diese Aussaat optimal?
Manuel Pramsohler: Durch zwei Aussaattermine haben wir die Aussaat an die verschiedenen Kulturen angepasst. Ein erster Termin für Kulturen, die etwas kühlere Temperaturen bevorzugen, wie zum Beispiel Hafer, Erbsen, Lein, Linsen. Diese Kulturen wurden am 13. April gesät. Der 11. Mai war dann der Termin für die restlichen Kulturen. Arten wie Mais brauchen um zehn Grad Bodentemperatur, Rispenhirse und Soja bevorzugen noch wärmere Bodentemperaturen. Am ersten Saattermin war es etwas zu trocken, beim zweiten Saattermin im Mai waren die ungewöhnlich hohen Temperaturen dann ideal. Der heiße Sommer zurzeit ist für die wärmeliebenden Arten optimal.

Angelika Ruele und Manuel Pramsohler vom Versuchs-
zentrum Laimburg begleiten das Projekt Field100.

Beim Field 100 handelt es sich um ein Feld, wo einige Pflanzen in Mischkultur angebaut werden. Welche Vorteile bringt eine Mischkultur?
Angelika Ruele: Mischkultur bedeutet, dass auf derselben Anbaufläche verschiedene Pflanzen gemeinsam angebaut werden, die sich gegenseitig positiv beeinflussen. So haben wir zum Beispiel Mais und Bohnen als Mischkultur angebaut. Der Mais dient als Stützfrucht für die Bohne, welche sich an den Maispflanzen festranken kann. Im Gegenzug fixiert die Bohne Stickstoff aus der Luft, welchen der Mais als Dünger aus dem Boden aufnehmen kann. Beide Pflanzen profitieren voneinander. Weitere Mischkulturen im Field 100 sind: Hafer mit Linsen, Erbsen mit Hafer und Sonnenblume mit Bohne.

Wird die Mischkultur die Monokultur in Zukunft ablösen?
Manuel Pramsohler: Mischkultur kann eine interessante Alternative im kleinflächigen Anbau darstellen. Im Bioanbau ist zum Beispiel die Mischkultur Gerste/Erbse weit verbreitet. Dass diese Anbauform die Monokultur vollständig ablösen wird, glaube ich nicht.

Unterschiedliche Pflanzen bedeuten unterschiedliche Reifezeiten. Wie wird die Ernte bei so einem Projekt organisiert?
Angelika Ruele: Zum Teil sind die Kulturen im Feld aus praktischen Gründen nach ihrer Abreife sortiert. Die Mischkulturen sollten zeitgleich reifen und können gemeinsam geerntet werden. Einige werden wir händisch ernten müssen, so zum Beispiel die Erbsen. Der Rest der Kulturen wird mit unserem Parzellen-Mähdrescher für kleine Versuchsparzellen geerntet.

Was passiert anschließend mit dem gewonnenen Saatgut des Fields 100?
Manuel Pramsohler: Zuerst wird geerntet und grob gereinigt, dann wird der Ertrag erhoben. Anschießend werden im Labor Analysen zur Qualität gemacht, unter anderem wird untersucht, ob alte Sorten besondere Inhaltsstoffe aufweisen, die sich für die Erzeugung von Produkten gut eignen würden. Zudem wird von den Südtiroler Hafer-Landsorten frisches Saatgut in die Genbank des Versuchszentrums Laimburg zurückgegeben. (TL)