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Das Kirchlein von Tesselberg

Blickfang und Mittelpunkt von Tesselberg ist die kleine gotische Dorfkirche.

Das beschauliche Bergdorf Tesselberg ist über eine Höhenstraße von Percha oder Uttenheim aus erreichbar und liegt auf 1485 Metern. Schöne, alte Paarhöfe mit Walmdächern schmiegen sich an steile Berghänge.

Sehenswürdig
Sehenswürdig ist die kleine Kirche direkt an der Durchfahrtsstraße. Sie wurde im Jahr 1441 von Georg I., Bischof von Brixen, zu Ehren der Heiligen Chrysanthus und Daria geweiht. Diese waren frühchristliche Märtyrer und gelten als Schutzpatrone vor Viehkrankheiten und Ungerechtigkeiten. Die Kirche ist ein spätgotischer Bau mit Spitzbogenportal, Spitzbogenfenstern und polygonalem Abschluss. Das Langhaus ist mit einem Kreuzrippengewölbe versehen und der Chor mit einem Sternrippengewölbe. Der nordseitig angebaute, viereckige Glockenturm weist einen Spitzhelm auf. Der heutige Altar im Stile des Rokokos stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er zeigt die Muttergottes mit Kind, wie sie den Kirchenpatronen die Märtyrerkrone reicht. Die wirkungsvollen Rankenmalereien am Gewölbe wurden um 1600 angebracht. An der Außenfassade können wir gemalte Kreuzwegstationen aus der Barockzeit bewundern. Die Seelsorge wurde von der Mutterpfarre Gais betreut, bis1831 die Kuratie einen eigenen Seelsorger erhielt. Damals zählte das Dorf rund 22 Häuser und 200 Einwohner. Seit 1986 gehört Tesselberg zur Pfarrei Mühlbach und ist heute dem Dekanat Taufers unterstellt.

Der Name Tesselberg
Die Geschichte von Tesselberg blickt auf mehr als 1.000 Jahre zurück. Der Name ist im Jahre 993 erstmals urkundlich erwähnt und scheint in mehreren Fassungen als Tessilinperch, Tesselinberch, Tessilinberg und Tessilperc mons Tassilonis auf. Er geht vermutlich auf das Patronym Tassilone zurück, einem typischen Namen aus dem altbayrischen Herrschaftshaus der Agilolfinger. In den ersten Jahrhunderten unterstand Tesselberg dem brixnerischen Oberlandesgericht Bruneck. Bis vor 111 Jahren gehörte Tesselberg zur Gemeinde Dietenheim. Von 1911 bis 1928 war der kleine Weiler sogar eine selbständige, politische Gemeinde und seit 1928 ist es eine Fraktion der Gemeinde Gais.

Unrühmliche Geschichte
Schmerzvolle Tage mussten die Dorfbewohner im Zuge der Sprengstoffanschläge der 1960er-Jahre erleben: Im September 1964 schlug der Arm des Gesetzes in einer scharfen Strafexpedition zu und führte wüste Hausdurchsuchungen durch. Durch Einschüchterungen und Druck auf die Bevölkerung wollte man mögliche Zusammenhänge mit den Anschlägen erfahren. Es eskalierte so weit, dass ein Mädchen einen Streifschuss am Kopf erlitt. Die Gewaltaktion war fruchtlos, man fand und erfuhr nichts. Die Verantwortlichen dieser Aktion mussten zwar einräumen, dass hier Grenzen überschritten worden waren, aber erst nach langwierigen Untersuchungen durch die Carabinieri, erhielten die Geschädigten eine geringfügige Abfindung.
Das Gotteshaus in Tesselberg hätte gewiss noch mehr Leid zu erzählen, welches in den 580 Jahren seines Bestehens in dem abgeschiedenen Weiler geschehen ist – gewiss aber auch viel Schönes und Trostbringendes. Möge das Kirchlein weiterhin über die wenigen Bewohner wachen, ihnen ein sonniges Wahrzeichen sein und eine segensreiche Zeit bescheren. (IB)