Frauenunternehmen in Südtirol

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Frauenunternehmen in Südtirol

Am 8. März wird der “Internationale Tag der Frau“ gefeiert. Anlässlich dieses Tages rücken wir das weibliche Unternehmertum in Südtirol in den Fokus. Wie viele selbstständige Unternehmerinnen gibt es in Südtirol? In welchen Sparten sind diese Frauen tätig und wie gelingt ihnen der Spagat zwischen Familie und Beruf? Diese und noch mehr Fragen hat uns Cristina Stuffer, Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen (WIFO), beantwortet.

Cristina Stuffer vom Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen (WIFO).

Puschtra: Ende 2021 gab es 10.451 aktive Frauenunternehmen mit Sitz in Südtirol. Wie sehen die aktuellen Zahlen aus?
Cristina Stuffer: Mit Ende Dezember 2022 gibt es in Südtirol 10.653 aktive Frauenunternehmen. Wir registrieren damit im Vergleich zum Dezember des Vorjahres einen Anstieg von rund 1,6 Prozent.

Es hat also 2022 einen Anstieg von 202 Frauenunternehmen gegeben. Auf welche Faktoren lässt sich dieser Anstieg zurückführen?
Die Anzahl der aktiven Frauenunternehmen ist wie gesagt gestiegen und das ist ein Trend, den wir generell in den letzten Jahren registrieren konnten. Besonders im Bereich der Dienstleistungen gibt es mehr Frauenunternehmen, dort gab es einen Anstieg von 6,2 Prozent. Ein maßgeblicher Faktor dafür ist, dass im Jahr 2022 die Wirtschaft im Vergleich zu den Vorjahren 2020 und 2021 besser verlaufen ist. Es hat ein genereller Aufschwung stattgefunden. Der Konsum ist wieder gestiegen und das wirtschaftliche Klima war insgesamt für ein Wachstum förderlich.

Besonders fällt der Sektor Handwerk auf, dort hat es von 2021 auf 2022 eine Veränderung von 4,9 Prozent gegeben. Wie ist dieses Ergebnis einzuordnen?
Im Handwerk ist der Anstieg auf die “klassischen“, weiblichen Handwerksberufe zurückzuführen. Die Daten zeigen zum Beispiel ab dem Jahr 2018 einen Anstieg an aktiven Damenfriseurinnen, Reinigungskräften und Schönheitspflegerinnen. Auch in anderen Handwerksberufen ist die Anzahl gestiegen, so zum Beispiel bei den Fotografinnen, Tätowiererinnen, Mediengestalterinnen und Floristinnen. Wir erklären uns diesen Anstieg mit dem generellen Aufschwung nach der Pandemie. Zudem ist seit 2018 die Anzahl der Frauenunternehmen in den letzten Jahren stetig und über alle Sparten hinweg angestiegen.

Welche Vorteile bringt die Selbstständigkeit für eine Frau in Südtirol?
Die Selbstständigkeit bringt sicher jene Vorteile, die auch sonst immer wieder genannt werden, wie zum Beispiel die finanzielle Unabhängigkeit, flexible Arbeitszeiten… Im Zuge unserer Umfrage wurde auch die Möglichkeit genannt, mit der Selbstständigkeit einer erfüllenden Tätigkeit nachzugehen und die eigenen Ideen und Leidenschaften umzusetzen.

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, dass Frauenunternehmen immer noch einen bescheidenen Anteil an der gesamten Anzahl der Unternehmen ausmachen?
Diese Frage wurde auch in unserer Erhebung berücksichtigt und daraus geht hervor, dass es für die meisten Unternehmerinnen Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt und Frauen deshalb davor abschrecken den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Die Frauen sahen sich nach wie vor bei der Kindererziehung und im Haushalt mehr eingebunden als die Männer. Dazu zeigte die Studie, dass sich das gesellschaftliche Bild der Frau und deren Rolle noch nicht dahingehend geändert hat, dass es den Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtert. Deshalb fordern auch viele Unternehmerinnen, dass Maßnahmen gesetzt werden, um diese Rollenverteilung aufzubrechen.

In welchen Sparten haben wir ein hohes und in welchen ein niedriges Frauenunternehmertum?
Die meisten Frauen im Südtiroler Unternehmertum sind in den Branchen Gastgewerbe und Dienstleistungen tätig, dort finden wir jeweils um die 2.800 Frauenunternehmen, gefolgt vom dritten großen Bereich, dem Handel, wo, Stand 2022, 1.373 Frauenunternehmen verzeichnet werden konnten. Die wenigsten Frauenunternehmen finden wir im produzierenden Gewerbe, also in den Sparten Baugewerbe, Verarbeitendes Gewerbe sowie Verkehr und Lagerung. Dort haben wir insgesamt weniger als 1.000 Frauenunternehmen in Südtirol.

Welche Entwicklungen konnten in den letzten Jahren in den einzelnen Sparten festgestellt werden?
Aus den Datenreihen, die wir seit 2014 verfolgen, können wir in allen Sektoren einen Anstieg an Unternehmen von Frauen verzeichnen. Die größten Zuwächse sind in jenen Sparten erfolgt, in denen Frauen am häufigsten tätig sind, wie schon erwähnt, die Dienstleistungen und das Gastgewerbe. Es ist aber auch interessant zu sehen, dass in untypischen Branchen für Frauenunternehmertum, so zum Beispiel das produzierende Gewerbe, die Anzahl vergleichsmäßig auch sehr stark gestiegen ist.

Wie wird Frauenunternehmertum in Südtirol gefördert?
An der Handelskammer Bozen gibt es den Beirat zur Förderung des weiblichen Unternehmertums, der die Aufgabe hat, das weibliche Unternehmertum zu fördern, die Gründung von Unternehmen durch Frauen zu forcieren, die Qualifizierung von Unternehmerinnen und Frauen in Führungspositionen zu fördern und die Position der Frauen in den Unternehmen zu stärken. Es gibt dann auch zeitweise spezifische Fördergelder, aktuell zum Beispiel im Zuge des staatlichen Wiederaufbaufonds (PNRR) Beiträge, verbilligte Darlehen usw., um die von Frauen geführte Unternehmen zu unterstützen.

Das WIFO hat 2022 die Studie „Die Südtiroler Unternehmerinnen und die Covid-19-Pandemie“ durchgeführt. Was sind in wenigen Sätzen die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie?
In unserer Studie haben wir herausgefunden, dass sich durch die Pandemie nicht nur die wirtschaftliche Situation der Unternehmerinnen in Südtirol verschlechtert hat, sondern vor allem auch die gesellschaftliche. Man hat gesehen, dass die Frauen die wirtschaftlichen Herausforderungen relativ gut gemeistert haben, obwohl sie in jenen Sektoren (Dienstleistung, Handel und Gastgewerbe) tätig waren, die von der Krise am meisten betroffen waren. Aber ein sehr wichtiges Ergebnis, das sich durch diese Studie gezeigt hat ist, dass sich die work-life-balance der Unternehmerinnen zu Ungunsten der Familie verschoben hat. Die meisten Frauen haben eine Verschlechterung dieser work-life-balance beklagt, so zum Beispiel die neuen Haushalt- und Betreuungspflichten der Kinder übernehmen mussten und auch die Kinder im Fernunterricht begleiten mussten. Die gleiche Erhebung wurde im Trentino durchgeführt und im Vergleich zu den Frauenunternehmerinnen im Trentino haben jene in Südtirol wirtschaftlich besser abgeschnitten und auch die gesellschaftliche Lage zeigte sich in Südtirol leichter zu bewältigen. Das Stimmungsbild war in Südtirol insgesamt positiver, als in der Nachbarprovinz.

Welche realistischen Verbesserungen sehen Sie für die Zukunft des weiblichen Unternehmertums?
In unserer Studie fragten wir auch danach, was sich die Unternehmerinnen in Zukunft wünschen, um das weibliche Unternehmertum zu fördern. Bei dieser Frage haben die meisten Frauen angegeben, dass sie sich von der Politik ein größeres Betreuungsangebot für die Kinder wünschen, da diese Angebote vor allem im Sommer und an den Nachmittagen unzureichend sind. Ein zweites Anliegen der selbstständigen Frauen war ein ähnliches Recht zu erhalten, wie es die Arbeitnehmerinnen in Sachen obligatorisch bezahlter Mutterschaftsurlaub haben und als dritten Punkt wünschten sich die Unternehmerinnen, von der Politik und von den Medien, dass die Vaterschaft mehr gefördert wird. Ich denke, dass in allen diesen drei Punkten für die Zukunft realistische Verbesserungen möglich sind. (TL)