Der Volksglaube und die Burg

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Der Volksglaube und die Burg

Sand in Taufers – Einst bedeutende Dynastenburg des Mittelalters, heute wichtiges Kunstdenkmal
und Touristenattraktion. Eindrucksvoll trohnt Burg Taufers auf einem Felsvorsprung zwischen dem Tauferer- und dem Ahrntal. Der Castellan Alexander Maier und die Kuratorin Marie Rubner erzählen im Interview über 800 Jahre Burg Taufers und wie sich der Volksglaube im Mittelalter manifestierte.

Die Burg Taufers wurde 1224 das erste Mal schriftlich erwähnt und feiert damit heuer sein 800-jähriges Jubiläum. Was sich in den letzten 800 Jahren alles zugetragen hat, lässt sich in den Geschichtsbüchern nachlesen. Einige Anekdoten und Geistergeschichten weiß allerdings Alexander Maier, der Castellan von Burg Taufers zu erzählen. Er ist seit 20 Jahren auf der Burg tätig und kennt sie in- und auswendig. Nach 15.000 Führungen in der Brug entdecke er dennoch immer wieder etwas neues und jeder Tag auf so einer alten Burg sei spannend, wie er im Interview verrät. „Je nach Besuchergruppe passe ich die Führungsinhalte an und da kann es dann auch schon mal sehr lustig werden“, erzählt er. Langweilig ist es deshalb auf der 800 Jahre alten Dynastenburg nie. So weiß der Castellan über viele Begebenheiten zu berichten. Besonders angetan habe es die Burg Taufers nicht nur den 70.000 Besuchern:innen pro Jahr, sondern auch den verschiedenen Ghosthunter-Teams, die schon auf der Brug nach Paranormalen Phänomenen gesucht haben. „Wir hatten schon mehrere Ghosthunter-Teams aus Deutschland, Österreich und Italien hier auf der Burg, die mit verschiedenen Geräten angerückt sind und alle etwas gefunden haben“, berichtet der Castellan amüsiert.

Ein Dokument berichtet 1224, dass Heinrich von Taufers Bischof von Brixen wird. In diesem Schreiben wird eine der größten Burgen im Tiroler Raum das erste Mal erwähnt: Burg Taufers.

So konnten Fotoaufnahmen von einem Benediktiner Pater, der einst auf der Burg gelebt hat, gemacht werden. Im Gerichtssaal, wo Prozesse stattgefunden haben, wurden Tonaufnahmen aufgenommen sowie der Geist von Margarethe von Taufers im „Geisterzimmer“ gesichtet. „Ich bin da ja eher ungläubig“, so der Castellan. Für ihn steht fest, dass so ein altes Gebäude natürlich lebt und auch sonst viele Bewohner wie Marder, Mäuse, Siebenschläfer und Fledermäuse beheimatet, die besonders am Abend die Burg zum Leben erwecken. „Zu jährlichen Besucher:innen gehören auch Anhänger der Glaubensgemeinschaft der Hutterer aus Kanada und den USA, um die Räumlichkeiten zu besichtigen, so wie etwa den Gerichtssaal, wo Anhänger dieses Glaubens gerichtet wurden“, verrät Alexander Maier. Die Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft, die im 16. Jahrhundert in St. Lorenzen von Jakob Hutterer gegründet wurde, wurden von den Burgherren von Taufers gerichtlich verfolgt. Ein berühmter Hutterer, der im Hunger- oder auch Faulturm eingesperrt wurde, war Hans Krahl.

Auch andere Persönlichkeiten hätten Burg Taufers besucht, weiß der Castellan zu erzählen, darunter auch die historische Figur General Lefebvre. „Während der französischen Kriege Napoleons zog unter der Burg das französische Heer durch, um nach Österreich zu gelangen. Da die Pässe durch Schnee und Eis nicht passierbar waren, wurde auf der Burg Halt gemacht. Der damalige Befehlshaber General Lefebvre hat mit seinem Gefolge einen ganzen Winter lang auf Burg Taufers gelebt. Der Ofen, den die Franzosen damals auf der Burg gebaut haben, ist immer noch erhalten.“ Die vielbesichtigte Burg birgt einige kunsthistorische Schätze wie zum Beispiel die Michael-Pacher Fresken aus 1480 in der Kapelle, die Jesus als Weltenrichter mit weißem Bart zeigen. „Die Einnahmen der Besucher:innen werden jedes Jahr in die Instandhaltung der Burg investiert. Der Besitzer der Burg – das Südtiroler Burgeninstitut – legt großen Wert darauf, die Burg gut zu erhalten“, so der Castellan abschließend.

Alexander von Hohenbühel (Archivar am Diözesanarchiv Brixen der Hofburg Brixen), Elisabeth und Oswald Peer (Pharmaziemuseum Peer Brixen), Marie Rubner (Kuratorin der Ausstellung), Alexander Maier (Castellan der Burg Taufers), Carl-Philipp Baron von Hohenbühel (Präsident des Südtiroler Burgeninstituts), Arthur Kirchler (Mineralienmuseum Kirchler, St. Johann) (v.l.).

Jährlich werden auf Burg Taufers auch Ausstellungen organisiert. Dieses Jahr wird die Sonderausstellung „Stille Kräfte des Alltags: der Volksglaube“ gezeigt.

Interview mit Marie Rubner
Frau Rubner, Sie kuratieren im Auftrag des Südtiroler Burgeninstitutes die Sonderausstellung „Stille Kräfte des Alltags: der Volksglaube“ auf Burg Taufers? Wie kam es dazu?
Marie Rubner: Die zwei vorherigen Ausstellungen beschäftigten sich mit dem Handwerk: 2022 hatten wir eine Ausstellung zur Schnitzkunst und 2023 zur Klöppelkunst und ich wollte bei dieser Sonderausstellung eine andere Richtung einschlagen, die sich mit dem Selbstverständnis des mittelalterlichen Menschen beschäftigt. Bei meiner Recherche bin ich dann schnell auf das Thema ‘Volksglaube‘ gestoßen, was mich fasziniert hat und auch zur Brug passt. Zudem ist dies ein umfassendes Thema, das viele Bereiche anspricht. Wenn man sich mit dem Volksglauben beschäftigt, taucht dieser in unterschiedlichen Teilen des Lebens auf, so zum Beispiel in Religion, Gesellschaft, Geschichte, Aberglaube, Philosophie, Medizin…
Der Eröffnung der Sonderausstellung ging– nach dem erstmaligen Vorschlagen des Themas – ein dreiviertel Jahr an Vorarbeit voraus.

Was versteht die Wissenschaft unter dem Volksglauben?
Der Begriff des ‘Volksglaubens‘ taucht in den deutschsprachigen Geisteswissenschaften erst ab dem 18. Jahrhundert auf und wird oft synonym zum Begriff Aberglauben verwendet, also mehr bezogen auf heidnische oder okkulte Themen. Volksglaube bezeichnet die Gesamtheit eines regional verbreiteten Glaubens, also etwas ‘was das Volk zumal auf die außer- und übernatürliche Welt für wahr hält‘, wozu letztlich sowohl religiöse Glaubensinhalte – also in unserer europäischen Kultur christliche – als auch außerwissenschaftliche Vorstellungen fallen.

Welches Ziel verfolgt die Sonderausstellung?
Die Ausstellung verfolgt genaugenommen zwei Ziele: Einmal soll die Ausstellung zeigen, dass der Aberglaube und der religiöse Glaube nebeneinander, sowohl im Mittelalter, als auch heute existieren und in der damaligen Gesellschaftsstruktur eng miteinander verbunden sind, sich sogar teilweise vermischen.
Ein Beispiel dafür wäre eine Kinderwiege, die in der Ausstellung zu sehen ist. Einmal ziert ein heidnisches Schutzsymbol, ein Pentagramm, das eine Ende der Wiege und auf der gegenüberliegenden Seite ist ein christliches Schutzsymbol zu sehen. Zudem soll die Ausstellung aufzeigen, dass der Volksglaube des Mittelalters bis in die heutige Zeit hereinwirkt. Viele dieser Themen haben auch heute noch Gültigkeit, auch wenn eine enorme Zeitspanne dazwischen liegt.

Die Sonderausstellung befasst sich mit vier großen Themenblöcken des mittelalterlichen Menschen. Können Sie uns dazu einen Einblick geben?
Die Ausstellung befasst sich klar mit einem kulturhistorischen Thema nämlich dem mittelalterlichen Menschen selbst. Er ist das Zentrum der Ausstellung und wird durch vier verschiedene Themenblöcke beleuchtet. Die Ausstellung fragt: Wie versteht sich der Mensch selbst? Darüber geben Themen, wie ‘Der Mensch und seine Seele‘, ‘Der Mensch und sein Körper‘, ‘Der Mensch und die Welt‘ und ‘Der Mensch und die Medizin‘ Auskunft. Dabei spielen die religiösen Bräuche und Rituale des Menschen ebenso eine Rolle, wie seine Versuche jenseitige Kräfte zu besänftigen oder zu fördern, um diese für sich zu nutzen; für seine Gesundheit, seine Sicherheit und letztlich auch sein Seelenheil. Dabei griff er auf das zurück was ihm zu helfen schien: Reliquien, Pilgerfahrten, die Astrologie, Schutzsymbole, Heilsteine und andere Naturwunder.

Die Kuratorin der Sonderausstellung,
Marie Rubner und der
Castellan der Burg Taufers, Alexander Maier.

Mit welchen Exponaten wird das mittelalterliche Weltbild veranschaulicht?
Die Exponate stammen aus der Domschatzkammer Bozen, dem Pharmaziemuseum Brixen, der Hofburg Brixen, dem Mineralienmuseum Kirchler in St. Johann und der Burg Taufers selbst. Im Rahmen der Sonderausstellung zu sehen sind Reliquien, Ablassbriefe, Objekte aus dem Pilgerwesen, Edelsteine und Schutzsymbole. Die Bildbeispiele zeigen zudem wichtige Werke der Kunstgeschichte.

Eignet sich der Inhalt der Ausstellung auch für Kinder?
Die Ausstellung ist sehr vielseitig, deshalb ist für jede:n etwas dabei. Auch Einhörner und Ungeheuer sind Protagonisten der Ausstellung. Den Alchimisten Nicolas Flamel kennen die meisten Kinder wahrscheinlich aus den Harry Potter Büchern, dabei war er aber tatsächlich eine reale Person, die in der Ausstellung im Zuge der Alchemie ebenfalls thematisiert wird. Auch anhand einiger Suchbilder kann die mittelalterliche Welt von Kindern erfahren werden.

Die Eröffnung der Sonderausstellung war vor ca. drei Wochen. Haben Sie Rückmeldungen bekommen, wie der Inhalt ankommt?
Die Ausstellung wurde am 27. März eröffnet und die Reaktionen der Besucher:innen war sehr positiv. Vor allem haben die lebensnahen Themen begeistert.

Wie prägt das Mittelalter unser heutiges Weltbild? Können Sie uns dazu einige Beispiele nennen?
Das vergangene Weltbild des Mittelalters wirkt noch erstaunlich stark in unsere Zeit hinein. Der christliche Glaube prägt unsere Gesellschaft heute ebenso wie damals, auch heute gehen Menschen noch Pilgern, besuchen Wallfahrtskirchen oder Gräber von Heiligen. Ein Beispiel dafür wäre der Petersdom in Rom. Auch die Vorstellung von Himmel und Hölle ist heute noch existent und auch den Aberglauben scheinen wir nicht hinter uns gelassen zu haben: wir lesen noch das Tageshoroskop, richten unsere Aktivitäten nach dem Mondkalender, schwören auf Heilsteine im Trinkwasser und freuen uns, weil uns das Glück hold ist, wenn wir ein vierblättriges Kleeblatt finden.

Wie lange ist die Sonderausstellung auf der Burg noch zu sehen?
Die Sonderausstellung ist im Raum ‘Kornkasten‘ in der Burg Taufers, ab 29. März bis 3. November 2024, täglich von 10 bis 17 Uhr, zu sehen.
TL