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Michelangelo in Sand in Taufers

Sand in Taufers – Vor 80 Jahren wurden wertvolle Kunstschätze in die Uffizien nach Florenz zurückgebracht, die während des Zweiten Weltkrieges in Südtirol deponiert worden waren.

Der Museumsverein Taufers feiert heuer sein 40-Jahre-Jubiläum. Zu diesem Anlass luden dessen Präsident Walter Ausserhofer und sein Stellvertreter Robert Innerbichler zu einem interessanten Vortragsabend in die Dependance des alten Posthauses in Sand in Taufers, wo auch ein von Manfred Feichter gedrehter Film über diese Zeit gezeigt wurde. Der Historiker Hannes Obermair und der Journalist und Kunstkenner Heinrich Schwazer referierten über die Rückholung wertvoller Kunstschätze von Südtirol nach Florenz vor 80 Jahren.
Wir bringen zunächst Auszüge aus Schwazers Referat.

Der Hintergrund
Nach der Landung der Alliierten auf Sizilien im Juli 1943 und der Amtsenthebung Mussolinis besetzten deutsche Truppen Italien. Im Rahmen der deutschen Militärverwaltung wurde eine Abteilung für „Kunst-, Archiv- und Bibliotheksschutz“ eingerichtet, deren Aufgabe die Erfassung schützenswerter Bauwerke, die Errichtung von Schutzbauten sowie die Auslagerung beweglicher Kunstgegenstände in Depots war. Als im Frühsommer 1944 die Alliierten Richtung Florenz vorrückten, beschloss man 735 Kisten – etwa ein Viertel aller florentinischen Kunstwerke – nach Südtirol in Sicherheit zu bringen. Die Verlagerung der Kunstwerke war aus militärischen Gründen sinnvoll, um sie möglichst weit von der Front und Gefährdung durch Artilleriebeschuss und Kampfhandlungen zu entfernen. Waren diese Depots nur Zwischenspeicher des organisierten Kunstraubs im Auftrag von Nazi-Größen oder waren es Rettungsmaßnahmen für die unermesslichen Kunstschätze und Kulturgüter Italiens? Historiker beurteilen diese Frage bis heute kontrovers.

Unterbringung im Ansitz Neumelans
37 LKW-Ladungen mit etwa 600 Kunstwerken höchsten Ranges wurden in der Zeit vom 8. August bis 9. September 1944 von Florenz nach Südtirol verfrachtet. Im alten Wagenhaus von Neumelans wurden Skulpturen untergebracht von Donatello, Michelangelo, Verrocchio sowie Skulpturen aus dem Museo Nazionale und aus der Kirche San Michele in Pistoia. Ins Haupthaus von Neumelans verfrachtete man Gemälde von Botticelli, Raffael, Tizian, Dürer, Cranach, Rembrandt oder Breughel. Nach Ende des Krieges wurden die Kunstschätze rückgeführt. Am 6. Mai 1945 erreichten die ersten amerikanischen Einheiten Sand in Taufers, am 9. Mai auch St. Leonhard in Passeier.

Kunstschutz oder groß angelegter Raubzug? Eine Machtfrage
Der Historiker Hannes Obermair ergänzte das Thema und erklärte, dass die Bergeaktion der NS-Behörden eine getarnte Form des Kunstraubs darstellte. Er begründete dies mit der Feststellung, dass der NS-Staat in den Jahren des von ihm entfesselten 2. Weltkriegs ganz Europa in ein Schlacht- und Beutefeld verwandelt hätte.

Ebenso wie Menschen wurden auch Kunstwerke „deportiert“, hin- und hergeschoben, gerettet oder vernichtet. Hitler selbst wollte in Linz – in der Perspektive eines siegreichen Großdeutschen Reichs – das sogenannte „Führermuseum“ verwirklichen, das die in den Augen der Nazis wertvollsten Artefakte aufnehmen sollte. Wenngleich der Kriegsverlauf diese weitergehenden Planungen rasch zum Stillstand brachte, setzte sich in den besetzten Gebieten Europas ein monumentaler Raubzug fort, an dem deutsche Kunsthistoriker und sonstige Experten aktiv beteiligt waren.

Als sich die Kriegsniederlage Deutschlands abzeichnete, gingen die als „Kunstschutz“ deklarierten Flüchtungen zwar weiter, aber die dafür Verantwortlichen suchten bisweilen in opportunistischer Absicht, die siegreichen Alliierten mittels einer geordneten Übergabe gnädig zu stimmen und für sich Gefangennahme, Prozess und Haft abzuwenden. So auch in Sand in Taufers, wo der für die Neumelanser Flüchtung verantwortliche SS-Standartenführer Alexander Langsdorff die im Sommer 1945 anlaufende Rückgabeaktion begleitete und sich US-Major Deane Keller und Lt. Frederick Hartt als Wissensträger andiente.

Als die US-Amerikaner im Oktober 1945 die letzten Kunstwerke aus Sand nach Florenz zurückbrachten, inszenierten sie die Hilfsaktion als grandiosen Triumphzug. Obermair wies auch noch auf eine weitgehend vergessene Parallelaktion der deutschen Stellen hin, die ebenfalls Sand in Taufers betraf. Mitarbeiter des von Heinrich Himmler begründeten SS-Ahnenerbes hatten unter der Leitung des Südtiroler Historikers Franz Huter Archivbestände der beiden Staatsarchive Bozen und Trient nach Neumelans bzw. auf Schloss Taufers verbracht.

In der Zeit der „Operationszone Alpenvorland“ (1943–1945) kam es somit zu einem enormen Kulturguttransfer, der im Zeichen eines „großdeutschen“ Wissenschaftseinsatzes stand und offen expansionistische Züge trug. Abschließend wurde von den Veranstaltern festgehalten, wie beeindruckend die Tatsache sei, dass die beiden Ortschaften Sand in Taufers und St. Leonhard in Passeier für fast ein Jahr lang Kunstschätze von unermesslichem Wert beherbergt haben.

Ein Film auf YouTube dokumentiert diese Phase auf eindrückliche Weise: (https://www.youtube.com/watch?v=lIFT3Qz8d8U).
IB