Die Wirtschaft in Osttirol
10. Oktober 2017
Leah Maria Huber aus Luttach
10. Oktober 2017
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Bruneck – die Schulstadt

Teil IV – Die gewerbliche Fortbildungsschule

Bruneck verfügte vor dem Ersten Weltkrieg über keine Oberschule, wohl aber seit 1890 über eine der heutigen Berufsschule ähnliche gewerbliche Fortbildungsschule für die in Gewerbe und Handel tätigen Lehrlinge. Diese Schule wurde von Staat, Land, Stadtgemeinde und der Handels- und Gewerbekammer Bozen finanziert. Im ersten Jahrzehnt lagen Einnahmen und Ausgaben pro Jahr knapp unter 1000 Gulden und ab 1900 dann bei 2200 bis 2400 Kronen. In der Stadtregierung hatte die neue Schule von Anfang an eine starke Lobby, waren doch die Vertreter der Kaufleute und der Handwerker gleichermaßen am Gedeihen der Fortbildungsschule interessiert. Hinter der Schule stand auch die Gewerbegenossenschaft Bruneck, der 1913 rund fünfzig Handwerker angehörten.

Die Schule nach dem Ersten Weltkrieg – die Machtübernahme des Faschismus
Die Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg führte zunächst zur Besetzung Südtirols durch das italienische Militär und im Frieden von St-Germain zur Angliederung an Italien. Die ersten Äußerungen führender Militärs und Politiker ließen noch annehmen, dass Italien den ethnischen Minderheiten gewisse autonome Rechte gewähren würde, so vor allem Schulen mit muttersprachlichem Unterricht. Es gab aber schon in der Zeit von 1919 bis 1922, als Italien noch von den Liberalen regiert wurde, Anzeichen dafür, dass das neue Vaterland bei der Behandlung der Minderheiten auch nationalistische Ziele verfolgen könnte, die in Richtung Italianisierung gingen. Das erste Beispiel dafür war die „Lex Corbino“ von 1921. Dieses Gesetz erweckte den Anschein, als würden damit nur italienische Elementarschulen für italienischsprachige Kinder geschaffen. Tatsächlich ließen die Behörden in vielen Fällen dann aber nicht die Eltern entscheiden, ob sie ihre Kinder in die italienische oder in die deutsche Schule schicken wollten. Die Machtübernahme der Faschisten nach dem 28. Oktober 1922 („Marsch auf Rom“) und das darauf folgende allmähliche Hinübergleiten Italiens in die Diktatur ließen für ein einigermaßen friedliches Nebeneinander nun keinen Platz mehr. Der Faschismus verpasste auch der Schule sein ideologisch-politisches Zwangskorsett, dessen Endprodukt der nationalistisch, militaristisch, antiliberal und antidemokratisch eingestellte Schulabsolvent sein sollte, der zum systemerhaltenden Erfüllungsgehilfen taugte, wenn es darauf ankam. Dieses Schulsystem wurde ganz Italien übergestülpt und nicht nur den neu eroberten Gebieten an der Grenze, die von den „allogeni“ (Fremdstämmigen), den Menschen mit anderer Sprache und Kultur, als sie das Staatsvolk hatte, bewohnt wurden. Im Falle Südtirols – und der anderen ethnischen Minderheiten – kam aber noch das faschistische Ziel der Entnationalisierung und Assimilierung durch die Schule dazu.

 

Die Schule als Italianisierungsinstrument
Der Italienischunterricht war in Bruneck ein Thema lange bevor Südtirol zu Italien kam. Im Rahmen der Einführung der Hauptschule 1830/31 ist auch vom Italienischunterricht in der Knabenschule die Rede. Es sieht so aus, als ob damals aus Geldmangel darauf verzichtet worden wäre. Erst als im Jahre 1850 der Brunecker Bürger Franz Eller ein Kapital von 3000 Gulden zur Besoldung eines Lehrers der italienischen Sprache in der Knabenschule stiftete, wurde die Initiative gestartet. Jedenfalls unterrichtete zu Beginn der 1860er Jahre der Unterlehrer Bartlmä Winkler an der Brunecker Knabenschule Italienisch und einige Jahre später tat das dann Anton Zangerl, ein Lehrer, der sich vor allem um die Erforschung der Geschichte Brunecks verdient gemacht hat. Ende der 1880er Jahre wurde die Kontinuität des Italienischunterrichtes an der Knabenschule für mehrere Jahre unterbrochen. Im Jahre 1892 weist das „Tagebuch für den Fond der italienischen Lehrkanzel“ wieder eine Tätigkeit nach. Von da an bis zum Beginn des Weltkrieges erteilte Karl Mariacher, der Nachfolger Zangerls als Schulleiter, den Italienischunterricht für 100 Gulden (und ab 1900 für 200 Kronen) pro Jahr. Laut eines erhaltenen Stundenplanes war der Italienischunterricht auf die 4. Klasse beschränkt und fand am Montag, Mittwoch und Samstag jeweils von 11 bis 12 Uhr statt.
Nach dem Weltkrieg wurde der Italienischunterricht an der Knabenschule wieder aktuell. Im Jahre 1922 verlangte das italienische Zivilkommissariat Bruneck von der Gemeinde die Anstellung eines italienischen Lehrers an der Knaben-Volksschule zur Erteilung des Italienischunterrichtes. Der Gemeinderat antwortete auf Antrag eines Mitgliedes, es gebe bereits eine Lehrperson, die dabei sei, die italienische Sprache zu erlernen, um den Italienischunterricht an der Knaben-Volksschule erteilen zu können. Da dieser Lehrer die dafür notwendige Prüfung bald ablegen werde, könne man ihn mit diesem „nicht obligatorischen Unterricht“ betrauen. Dieser Vorschlag ging an der neuen Realität vorbei, wie sich bald herausstellen sollte. Ab dem Schuljahr 1923/24 waren nämlich nicht nur einige Stunden Italienischunterricht vorgesehen, sondern – beginnend mit den ersten Klassen – nur mehr Unterricht in italienischer Sprache, ohne auf die Muttersprache der Schüler Rücksicht zu nehmen.
Die ersten Forderungen von Seiten des Staates, welche die Schule betrafen, bezogen sich in Bruneck (und an den anderen Schulorten) auf die Einführung des Italienischunterrichtes, und zwar sowohl in der gewerblichen Fortbildungsschule als auch in der Knabenschule. Aber schon ein Jahr später ging es bereits um die Existenz der deutschen Schule. Denn die „Lex Gentile“ von 1923 legte im Artikel 4 die Staatssprache Italienisch in allen Schulen des Königreiches als Unterrichtssprache fest. In den Gemeinden, in denen eine andere Sprache gesprochen wurde, durfte diese bis 1925 in Anhangstunden außerhalb der normalen Unterrichtszeit unterrichtet werden. Diese Regelung galt im Schuljahr 1923/24 für die ersten Klassen, im Jahr darauf auch für die zweiten usw.
In Bruneck wurde die neue italienischsprachige Volksschule im Gebäude der 1874 erbaute Knaben-Volksschule am Graben untergebracht, das damals auch als Rathaus diente. Die Verhältnisse waren zunächst nicht besonders einladend. Da die Gemeinde, die nur über geringe finanzielle Mittel zu verfügen vorgab, verpflichtet war, nicht nur die Räumlichkeiten bereitzustellen, sondern auch für Einrichtung und Lehrmittel sowie für die Beleuchtung und die Beheizung zu sorgen, waren die Bedingungen, unter denen Schule gehalten werden musste, alles andere als ideal. Ende der 1920er Jahre plante man den Bau eines neuen Schulgebäudes, das dann aber nicht verwirklicht wurde.
Südtirol wies bei der Annexion durch Italien ein stabiles und effektives Schulsystem auf, das nun durch die Faschisten innerhalb weniger Jahre zugrunde gerichtet wurde. Die deutschsprachigen Lehrerinnen und Lehrer wurden mit der Einführung des italienischsprachigen Unterrichts größtenteils aus dem Schuldienst gedrängt. Wenn deutschsprachige Pädagogen in der italienischen Schule unterrichten wollten, mussten sie eine Prüfung ablegen. Wer sie nicht bestand, wurde wegen didaktischer Unfähigkeit entlassen. Bis Ende 1925 schafften nur 59 diese Prüfung. Die zum Unterricht in italienischer Sprache Befähigten wurden ab Ende der 1920er Jahre immer häufiger in die alten Provinzen versetzt, sodass in Südtirol kaum noch deutsches Lehrpersonal zu finden war. In Bruneck waren 1926 immerhin noch zwei Drittel der Lehrerinnen und Lehrer deutscher Muttersprache, dann aber nahm mit dem Auslaufen der Klassen mit Unterricht in deutscher Sprache die Zahl der Lehrer/innen deutscher Muttersprache sehr stark ab und jene italienischer Muttersprache entsprechend zu. 1929 war der spätere Schulinspektor Friedrich (Federico) Zingerle der einzige deutschsprachige Lehrer an der Brunecker Volksschule.
Interessanterweise wird die italienische Schule von vielen ehemaligen Brunecker Schülern/innen deutscher Muttersprache gar nicht so negativ gesehen. Ausgerechnet Gina Beltrame, die Ehefrau des Fascio-Sekretärs Lorenzo Beltrame, gehörte zu den auch unter deutschen Kindern beliebtesten Lehrerinnen.