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Unser liebster Schatz

„Neben der traditionellen Familie finden sich heute auch Alleinerziehende, getrennt lebende Eltern oder Patchworkfamilien. Die Elternteile sind meist berufstätig. Die Großfamilie, in der Verwandte die Betreuung der Kinder mit übernommen haben, gibt es kaum mehr. Und früher kannte man sich noch in der Nachbarschaft, man leistete gegenseitig Nachbarschaftshilfe, auch und gerade bei der Kinderbetreuung“, erzählt Olga Pedevilla, seit 24 Jahren Direktorin des Kindergartensprengels Bruneck, zu dem 40 Kindergärten mit 79 Abteilungen zählen, in denen 1.700 Kinder betreut werden. „Zum Angebot in den Kindergärten finden sich heute noch Tagesmütter, Elkis, Kinderfreunde, Kinderwelt, Elternorganisationen, Betreuungsorganisationen der Bäuerinnen, KVW, Katholischer Familienverband, Caritas, Allianz für Frauen, für Alleinerziehende, Elternvertreter des Landeschulrates, alle bemühen sich um eine umfassende Hilfe bei der Kinderbetreuung. Es gibt zig Initiativen, aber kein Miteinander“, beanstanden Karin Wellenzohn und Petra Nock vom Forum Zukunft Kind des Autonomen Gewerkschaftsbundes (ASGB). Am 17. Oktober 2016 wurde das Forum gegründet als Folgeder vom ASGB im Jahr 2015 gestarteten Umfrage zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“: „Wir wollen ein Angebot schaffen zur besseren Vernetzung und Koordinierung. Eine ‚360-Grad-Rundumschau‘ ist wichtig für ein Gesamtkonzept. Nach dem Gießkannenprinzip werden bei uns in Südtirol alle Vereine und Organisationen gefördert. Aber jeder agiert für sich alleine und nicht im Miteinander.“ Kinderbetreuungsdienste sind da, um die (Klein)Kinderbetreuung anstelle der Eltern und insbesondere der berufstätigen Mütter zu übernehmen. „In außerfamiliäre Betreuungseinrichtungen wurde in letzter Vergangenheit von der Landesfamilienpolitik viel investiert. Dabei wurde aber versäumt, die Unterstützung so zu kanalisieren, dass die Familien selbst entscheiden können, wie und wo sie ihre Kinder betreuen möchten“, bemängeln Erna Marsoner Huber und Anneliese Rauch Hainz, die Pustertaler Vertreterinnen der Initiative Wertschätzung Elternarbeit (IWE). Im Herbst 2016 von acht Müttern und einem Vater gegründet, will die IWE auf die wertvolle Aufgabe aufmerksam machen, die die Eltern täglich leisten. „Uns liegt gezielt die Eltern-Kind-Arbeit am Herzen.“

UNGLEICHE BEDÜRFNISSE

„Die Familien und die Mitarbeiter der Betreuungsstrukturen haben andere Bedürfnisse. Alle wünschen sich eine qualitativ hochwertige Betreuung, aber diese ist nur zu bewerkstelligen, wenn die Kosten dafür übernommen werden“, weiß Wellenzohn. Da die Betreuungsdienste von den Eltern nur einen kleinen Beitrag verlangen dürften, sei es den Organisatoren fast gar nicht möglich, qualifiziertem Personal ein angemessenes Gehalt zu bezahlen. „Mitarbeiterinnen in Kindertagesstätten mit Matura und einjähriger Ausbildung zur Kleinkinderbetreuung verdienen im Monat 1.000 Euro netto bei einer Vollzeitbeschäftigung. Verständlich, dass ein großer Mitarbeiterwechsel die Folge ist, was sich wiederum nachteilig auf die Betreuungsqualität auswirkt“, pflichtet Nock bei. Ebenso um eine qualitativ hochwertige Betreuung bemüht sind die Kindergärten, aber auch sie stehen vor neuen Herausforderungen, so Pedevilla: „Unsere engagierten Pädagoginnen sind inzwischen immer mehr gefordert. Das vielfältige Angebot und die längeren Öffnungszeiten werden durch flexible Arbeitszeiten der Mitarbeiterinnen intern abgedeckt. Das ist nicht einfach, denn viele sind selbst Mütter. Weitere Fachkräfte sind nur für den Sommerkindergarten vorgesehen.“ Das vordergründige Problem der Kindergärten sei mit Sicherheit der Kindergärtnerinnenmangel und die Arbeitszeiten, so Pedevilla, aber als große Herausforderung sehe sie auch die Vielfalt, „mit der wir konfrontiert werden: Kinder mit Migrationshintergrund, mehrsprachige Kinder und Kinder aus unterschiedlichen Kulturen. Wir haben Abteilungen, in denen wir bei 25 Kindern im Alter von 2,5 bis 6,5 Jahren mit bis zu zwölf Nationen und acht Sprachen zu tun haben.“

EXTERNE BETREUUNG

„Sobald Kinder die körperliche und geistig-seelische Reife mitbringen, suchen sie die Gemeinschaft. Ein Segen ist diese Gemeinschaft dann, wenn sich das Kind darin geborgen fühlt und glücklich ist. Wird das Kind zu früh aus der Familie in andere Obhut gegeben und ist die reine Unterbringung des Kindes wichtiger als sein Wohlbefinden, dann beeinflusst das die gesamte Entwicklung des Kindes“, weiß Pedevilla. „Ganz schlimm ist es, wenn die Kinderbetreuung ‚zerstückelt‘ ist, da Kinder in mehreren Betreuungsstrukturen untergebracht sind. Das belastet Kinder und Eltern. Besser sind gleichbleibende Bezugspersonen und Rahmenbedingungen“, betonen Wellenzohn und Nock. Diese Überzeugung teilt Pedevilla: „Wenn kleine Kinder von der Tagesmutter zur Kita, dann zur Oma und noch weiter ‚herumgereicht‘ werden, ist das nicht förderlich. Kinder brauchen Stabilität, Verlässlichkeit und Geborgenheit.“

STILLE NOT

Eltern sind mit der Kinderbetreuung sehr gefordert. „Es gibt selbstsichere Eltern als auch solche, die an ihre Grenzen kommen, genau so, wie es behütete und vernachlässigte Kinder gibt. Diese stille Not der Kinder ist auch bei uns im Pustertal spürbar. Die Beispiele sind vielfältig und besorgniserregend. Das wird gerne vertuscht und auf Migrantenfamilien beschränkt. Aber einheimische Kinder aus scheinbar ‚gutem Haus‘ sind genauso betroffen. Hier sind die Kindergärten ein Segen, in denen motivierte, empathische Pädagoginnen die bedürftigen Kinder liebevoll auffangen“, führt Pedevilla an. Zwar sei die Familie der Grundstock unserer Gesellschaft und die Betreuung der Kinder zu Hause durchaus wünschenswert, aber dennoch kennt man Problemsituationen. „Diese Problematik wurde bei Landesrätin Waltraud Deeg deponiert und angeregt, das Berufsbild der Familienhelferin wieder einzuführen. Dieser Beruf ist seit vielen Jahren in Südtirol verschwunden, er wäre aber sehr notwendig“, so Rauch und Marsoner.

ZUM WOHL DER KINDER

„Ich bin gegen eine Fremdbetreuung im zarten Kleinkindalter bis zum ersten Lebensjahr. Die Väter müssen einbezogen werden, aber die Beziehung zur Mutter ist und bleibt auch in unserer modernen Welt ein elementares Bedürfnis. Externe Betreuungseinrichtungen können und dürfen zu den familiären Erziehungsaufgaben immer nur unterstützend wirken“, betont Pedevilla. Die Vertreter der IWE beanstanden die Landesfamilienpolitik: „Es ist ein Recht der Kinder und Jugendlichen Elternteile zu haben und in einem geschützten familiären und liebevollen Umfeld aufzuwachsen und erzogen zu werden. Aus diesem Grunde haben wir den internationalen Tag der Kinderrechte, den 22. November, für unsere erste Kundgebung in Bozen vor dem Landhaus gewählt, um gegen die Kinderbetreuungspolitik in unserem Land zu protestieren.“ Die IWE bezieht sich auf das Landesgesetzt vom 17. Mai 2013, in dem es unter Artikel 10 heißt: „Das Land und die zuständigen Körperschaften fördern und unterstützen beide Formen als gleichwertige Angebote (Betreuung und Begleitung von Kindern zu Hause und durch außerfamiliäre Dienste)“. „Unser Ziel ist die Umsetzung dieses Landesgesetztes. Den Eltern muss in absehbarer Zeit die tatsächliche Wahlfreiheit geboten werden, damit sich jeder nach den individuellen Bedürfnissen für die gewünschte Kinderbetreuungsform entscheiden kann. Gegenwärtig ist es so, dass die außerfamiliären Betreuungen vom Land und den Gemeinden finanziell unterstützt werden. Und das, obwohl in Artikel 1 des besagten Gesetzes steht: ‚Die Familie ist der Grundstock unserer Gesellschaft und der wichtigste Erziehungs-, Bildungs- und Bezugsort für die Kinder.‘“

THEMA: KOSTENFAKTOR

„Für Kinder sind die Kleinkinderjahre die prägendsten Jahre. Es ist traurig, dass unsere Landespolitik die (Klein)Kinderbelange nicht zur Chefsache erklärt! Es kann nicht sein, dass eine Frau, die der Kinder wegen zu Hause bleibt, Gefahr läuft, aufgrund der ausgebliebenen Rentenbeiträge in die Altersarmut zu schlittern. Bei der Kinderbetreuung wird alles als Kostenfaktor gesehen, aber dass die Folgekosten prozentual zur schlechten Kinderbetreuung steigen, wird übersehen“, sagen Wellenzohn und Nock. “Der Wert der Familie wird vielgepriesen, aber von der Politik wird dafür konkret zu wenig getan. Vielen Eltern ist es nicht möglich, ihre Kinder in der eigenen Familie zu betreuen, weil sie aus finanziellen Gründen beide berufstätig sein müssen“, sind Marsoner und Rauch überzeugt.

GLEICHE UNTERSTÜTZUNG

„Alle Eltern sollten die Wahlfreiheit haben, sich für die Kinderbetreuung zu entscheiden, die ihren Bedürfnissen entspricht. Da braucht es die öffentliche Unterstützung für alle, damit man es sich auch leisten kann, für seine Kinder zu Hause zu bleiben. Als wir gehört haben, dass unsere Familienlandesrätin das ‚Familiengeld +‘eingeführt hat, welches bei Väter-Karenz bis zu 800 Euro für maximal drei Monate ausbezahlt, gab das den ausschlaggebenden Grund, unsere Initiative zu gründen. Es kann nicht sein, dass Männern ein Lockmittel geboten wird um daheim zu bleiben und den Frauen nicht mal die Erziehungsjahre für die Rente anerkannt werden“, so Rauch und Marsoner. Die Eltern sollten die Wahlfreiheit haben, ist auch Pedevilla überzeugt: „Eltern sind sich meistens ihrer Verantwortung in der Erziehung ihrer Kinder bewusst und wollen diese auch selbst tragen. Es gibt viele Mütter, die bei ihren kleinen Kindern bleiben würden, wenn sie entsprechend abgesichert wären.“ (SP)

Olga Pedevilla, Direktorin Kindergartensprengel Bruneck:

„Die Familie bleibt die Urzelle aller Entwicklung.“

Karin Wellenzohn, Petra Nock (von links), ASGB Forum Zukunft Kind:

„Die erste Verantwortung für die Kinder liegt bei den Eltern.“

Anneliese Rauch Hainz und Erna Marsoner Huber (von links), IWE:

„Nurgleiche finanzielle Unterstützung garantiert tatsächliche Wahlfreiheit.“