Interview mit Pirmin Pramstaller – Gegen den Strom…

Markus Irschara aus Reischach
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Interview mit Pirmin Pramstaller – Gegen den Strom…

…schwimmt Pirmin Pramstaller zuweilen mit seinem Konzept, das den SSV Bruneck Schwimmen auf Vordermann bringen soll. Widerstände nimmt der sportliche Leiter dabei billigend in Kauf, denn er verfolgt höhere Ziele.

 

 

Puschtra: Du bist jetzt seit neun Monaten sportlicher Leiter beim SSV Bruneck Schwimmen. Stimmt es, dass aller Anfang schwer ist?
Pirmin Pramstaller: Allerdings. Der Beginn meiner Tätigkeit war ehrlich gesagt mehr als schwer. Es gab oft Tage, da habe ich gedacht, ich schmeiß alles hin, ich mach das nicht mehr.

Was war los?
Der Job des sportlichen Leiters ist ein schöner Job, aber er ist auch ein Job ohne Ende, Full-Time, egal ob werktags oder Wochenende, egal ob morgens oder spätabends. Es gibt laufend Hürden zu bewältigen, Probleme zu lösen. Ich mach‘ meine Arbeit echt gerne, aber manchmal war es so aufreibend und anstrengend, dass ich gedacht habe: es reicht, ich hör‘ auf.

Du sprichst von Hürden und Problemen. Was waren die Hauptschwierigkeiten zu Beginn?
Athleten und Eltern wollen Qualität. Und genau das will ich auch. Zur Umsetzung eines hochqualitativen Ansatzes braucht es aber entsprechende Bedingungen. Konkret gesagt stellen sich dann Fragen wie: Wie oft wird bzw. wie oft muss trainiert werden? Wann wird trainiert? Manche versuchen für ihr Kind Sonderbedingungen zu verhandeln. Zudem gilt es unseren Zeitplan mit der Führung des Schwimmbades in Reischach zu koordinieren. Kurz gesagt: auch wenn alle zusammenarbeiten, ergeben sich trotzdem Reibungsflächen und dann gilt es, die eigene Linie beizubehalten und sich nötigenfalls auch mit den Ellebögen durchzusetzen, sei es gegenüber Leuten als auch Institutionen.

Was war der Knackpunkt, trotz aller Schwierigkeiten weiter zu machen?
Der Rückhalt meines Trainerteams war entscheidend. Meine Leute sind stets hinter mir gestanden. Wenn’s Gegenwind oder Probleme gab, habe ich mit ihnen Rücksprache gehalten. Sie haben mir gesagt, hör‘ nicht auf das, was man dir einreden möchte. Bleib deiner Linie treu. Und als dann im Herbst und Winter 2016 die ersten Resultate sichtbar wurden, kam auch die positive Rückmeldung der Eltern. Die Ergebnisse waren der Beleg dafür, dass der Arbeitsansatz unseres Trainerteams Sinn macht, weil er Früchte trägt.

 

Pirmin Pramstaller.

 

Hatten manche Reibereien auch damit zu tun, dass manch einer Änderungen ablehnte und mit alt-eingesessenen Strukturen weiter machen wollte?
Dazu muss ich etwas vorausschicken. Schwimmen ist eine Sportart, die extrem viel Arbeit abverlangt. Ein Beispiel: Fußballer trainieren pro Woche drei Mal, etwa in der Oberliga. Schwimmer dagegen, beispielsweise im Mittelschulalter, trainieren bereits sechs mal pro Woche, vier Mal im Wasser, zwei Mal im Trockentraining. Das ist notwendig, wenn man die Athleten weiter bringen will. Es war in den letzten Jahren beim SSV Bruneck Schwimmen so, dass die Meinung vorherrschte, wir erreichen eh nicht mehr alles und irgendwie wollen wir auch nicht mehr erreichen. Das sehe ich anders. Wir können sehr viel erreichen. Wir können Schwimmen als angesehenen Leistungssport in Bruneck etablieren. Dafür benötigen wir allerdings gewisse Standards, ein Leistungsniveau, das notgedrungen sehr zeitaufwändig ist. Diesen Ansatz habe ich versucht, auf alle Trainingsgruppen zu übertragen. Ich bin überzeugt, dass mit mutigen Zielen, klaren Standards und einem guten Team sehr sehr viel möglich ist.

Worauf lag das Hauptaugenmerk deiner Arbeit in diesem ersten Dreiviertel-Jahr?
Der Austausch mit den Eltern der Athleten war mir sehr wichtig. Ich habe viele Gespräche geführt, Erklärungen gemacht, wenn man so will auch „Rechtfertigungen“ abgegeben. Ich wollte den Eltern erklären, wieso ich möchte, dass ihr Kind so oft ins Schwimmbad kommt, warum das Trockentraining wichtig ist, welche Ideen ich verfolge. Daneben habe ich viel Zeit investiert, um ein Bewusstsein dafür zu bilden, was professionelles Training bedeutet. Ich glaube, wenn Athleten sehen und auch spüren, dass da ein Verein ist, der auf sie zählt, der sie fördert, der klare Ziele verfolgt und entsprechende Strukturen bietet, dann kommen sie mit noch mehr Freude zu Training.

Im Leistungssport werden Trainer vor allem an Ihren Ergebnissen gemessen. Welche Ziele hast du dir selbst mittel- und langfristig gesetzt?
Klar sind Resultate wichtig, aber Zeiten, Medaillen oder Platzierungen sind für mich momentan nicht vorrangig. Wichtiger ist es, Schwimmen in Bruneck als Leistungssport zu etablieren, damit wir auf Landesniveau und im Vergleich zum italienischen Schwimmsport wieder aufholen können.

Hat unser Schwimmsport großen Rückstand auf die gesamtitalienischen Verhältnisse?
Allerdings, und das hat verschiedene Gründe. Einerseits genießt Schwimmen bei uns nicht das gleiche Ansehen wie im Süden. In Südtirol gibt es eine riesige Vielfalt an Sportarten und Möglichkeiten. Sei es Ballsport, Radsport, Bergsport, Eissport, alpine Sportarten oder nordische, die Möglichkeiten sind beinahe unbegrenzt. Entsprechend weniger Leute landen beim Schwimmen. In Italien dagegen gibt es einen riesigen Fundus an Nachwuchsschwimmern, aus denen sich dann im Laufe der sportlichen Selektion ein paar Top-Athleten herauskristallisieren. Dazu kommt, dass die Italiener mit anderen, um nicht zu sagen brutaleren Methoden den Schwimmsport vorantreiben. In Italien wird vor allem viel geschwommen. Die ‚quantità‘ ist das beherrschende Prinzip. Ein Ansatz, den ich allerdings nicht teile. Und wahrscheinlich steckt in diesem Ansatz auch die Ursache für das angestaubte Image des Schwimmens bei den Südtirolern. Viele denken, das sei nichts weiter als Bahnen schwimmen, Kacheln zählen, eintönig durchs Wasser gleiten.

Die Quantität hat in deinem Konzept also nicht den höchsten Stellenwert?
Ich setze auf Qualität. Ich habe in meiner Zeit in den USA gesehen, dass dieser Weg viele Vorteile bringt. Mir ist durchaus klar, dass Schwimmen nach wie vor eine Ausdauersportart ist, dass man viel Zeit im Wasser verbringen muss und eine gewisse Quantität unumgänglich ist. Aber ich bin überzeugt, dass man mit neuen, innovativen Trainingsmethoden weiter kommt als mit der alten Methode.

Du hast im Juli 2016 die sportliche Leitung von Sandra Bassot übernommen. Nervt es dich, wenn man deine Arbeit mit der Ära deiner Vorgängerin vergleicht?
Diese Vergleiche sind mir bis dato nicht passiert, zumindest nicht im technisch-fachspezifischen Bereich. Aber prinzipiell muss ich sagen, dass ich diese Vergleiche weder hören möchte, noch hören brauche. Ich verfolge mein eigenes, klares Konzept, Sandra Bassot hat ihre Ansätze. Jedenfalls habe ich bisher nur positive Rückmeldungen bekommen, ich hab‘ mir noch nicht anhören müssen, dass früher alles besser war. Das bestärkt mich bei meiner Tätigkeit.

Schwimmen ist eine hochkomplexe Sportart. Wie hat sich der Sport, haben sich die Trainingsmethoden geändert, in den Jahren, seit Du als Junge mit dem Schwimmen begonnen hast?
Die Entwicklung im Schwimmsport geht ständig weiter. Das sieht man daran, dass heute in allen Altersklassen schneller geschwommen wird als früher. Eine Ursache dafür ist die Verlagerung des Fokus von reiner Quantität hin zu Qualität – eben jener Ansatz, den auch ich verwende. Man hat durch Detail-Analyse Techniken entdeckt, die einen noch besseren Vorantrieb der Schwimmer ermöglichen und außerdem hat das Training abseits des Wassers – Stichwort Trockentraining und Krafttraining – an Bedeutung zugenommen.

 

Der Schwimmer Nachwuchs.

Du weißt aus Erfahrung, was es braucht, um ein Spitzenschwimmer zu werden. Gibt’s beim SSV Bruneck derzeit Nachwuchsathletinnen, die das Zeug für Top-Resultate haben?
Ja, definitiv. Ich denke dabei etwa an den Jahrgang 2007 der Mädchen, die sowohl im Einzel als auch im Team hervorragende Leistungen bringen und landesweit ganz vorne mit dabei sind. Aus dieser Gruppe – aber auch aus anderen – kann einiges werden, vorausgesetzt, man schafft die nötigen Rahmenbedingungen dafür. Ebenso wichtig ist es aber auch, diese Talente nicht zu überfordern, sie nicht zu ‚verbrennen‘, sondern sorgsam und zielgerichtet mit ihrem sportlichen Potential umzugehen.

Junge Menschen wollen heutzutage ‚hippen‘ Sport ausüben. Wie kann man der Generation RedBull/GoPro das Schwimmen schmackhaft machen?
Das ist eine entscheidende Frage. Meine Erfahrung hat mir gezeigt: es funktioniert vor allem über zwischenmenschliche Aspekte. Ich versuche, jedem Schwimmer auf Augenhöhe zu begegnen, ihn in seiner Person zu respektieren und ihm dabei immer eine klare Linie vorzuleben.Wenn ich den Schwimmern klar machen kann, dass ich für diesen Sport ‚brenne‘, dass mir als Trainer sehr viel an meinen Athleten liegt, dann springt der Funken über. Außerdem ist es wichtig, das Team als Gemeinschaft zu stärken. Gemeinsam Dinge abseits des Beckens unternehmen, jeder und jedem einzelnen das Gefühl geben, dass er bei uns aufgehoben ist und gemocht wird – darauf kommt es an. Grundlegend für die Motivation unserer Kids ist aber bereits die Freude, der Spaß und die Faszination in den Schwimmkursen unserer Schwimmschule, da wir aus diesem Pool die meisten unserer Athleten fördern. Und wer glaubt Schwimmen sei nichts für die GoPro-Kamera, der sollte sich mal den Clip ansehen, den wir letzthin mit Unterstützung eines professionellen Kameramannes gedreht haben. Das hat die Augen der Schwimmerinnen und Schwimmer zum Leuchten gebracht. Und genau darum geht’s. (RAFE)