Zu gut für die Tonne – Ein Dinner aus „geretteten“ Lebensmitteln

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Zu gut für die Tonne – Ein Dinner aus „geretteten“ Lebensmitteln

SOS Lebensmittel
Die Organisation für Eine solidarische Welt gibt dem Krummen, Kleinen und Unförmigen beim Dinner aus „geretteten“ Lebensmitteln auch eine Chance. Zusammen mit dem feld.Verein aus Innsbruck haben sie wertvolle Lebensmittel vor dem Abfalleimer gerettet und daraus ein schmackhaftes Dinner für 100 Gäste aus krummen Karotten, zu kleinen Krautköpfen und wunderförmigen Erdäpfeln beim Töpsl in Vintl gezaubert.

„In Italien verrotten jedes Jahr 17 Millionen Tonnen Getreide, Obst und Gemüse schon auf dem Feld, weil sie gar nicht erst geerntet werden. Sind die Lebensmittel zu klein, zu dick, haben sie kleine Schönheitsfehler oder weicht ihre Farbe von der gewünschten nur minimal ab, werden sie einfach aussortiert oder gar nicht erst geerntet. So beginnt die Lebensmittelverschwendung schon auf dem Feld. Die Ware, die nahe am Mindesthaltbarkeitsdatum liegt, wird in den Supermärkten erst gar nicht angenommen und auch zu Hause lande viel Brot, Gemüse, Milchprodukte und andere Lebensmittel im Müll, weil zu viel eingekauft wurde“, berichtet die Projektleiterin Monika Thaler von der OEW.

Etwas dagegen tun
Zusammen mit dem feld.Verein aus Innsbruck wurde das Projekt “Zu gut für die Tonne – Ein Dinner aus geretteten Lebensmitteln“ initiiert. „Aus qualitativ hochwertigen Lebensmitteln – die aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts, ihrer Form oder von Überproduktion von den Produzenten, in den Genossenschaften oder in den Supermärkten bereits aussortiert wurden, haben wir ein mehrgängiges Menü gekocht. Wir möchten die Konsumenten dafür sensibilisieren, dass auch Lebensmittel, die ein paar Macken oder Dellen aufweisen, wertvoll sind. Zusätzlich dazu haben wir die Gäste um einen Wertschätzungsbeitrag gebeten und so 2.900 Euro erhalten. Dieses Geld fließt in das Bildungsprojekt „Vida y Esperanza“ in Cochabamba, Bolivien“, betont Monika Thaler.

Der große Abend
An die 20 Freiwillige haben im Ansitz Töpsl in Vintl vor Kurzem am Samstagabend alle Hände voll zu tun gehabt. Tische, Stühle, Gedeck, Teller, Servietten, herbstliche Dekoration und natürlich alle Lebensmittel, haben sie selbst mitgebracht. Monika Thaler und Luzia Dieringer vom feld Verein und ihre Teams haben an die 100 Gäste bekocht. „Als feld Verein sind wir seit 2014 bemüht, ungenutzte Ressourcen, materielle wie immaterielle, zu entdecken, zu sammeln und zu verwandeln. Der feld Verein bietet in und um Innsbruck eine Austauschmöglichkeit für alle Interessierten im konsumfreien Raum“, erklärt Lucia Dieringer. Gemeinsam mit der OEW hat der feld Verein dieses Dinner zum zweiten Mal organisiert. Es wurden in der Küche des Ansitzes vier Kisten Brokkoli, drei Kilogramm Nüsse, zwei Säcke Brot, eine Kiste Fenchel, fünf Kisten Blumenkohl und noch eine Menge anderer Lebensmittel, die sonst auf dem Müll gelandet wären, verwertet. Auf der Menükarte standen Rohnenknödel mit geschmolzener Butter, Polentanocken auf Tomatenspiegel, Brokkoli Quiche mit Ofengemüse und Kartoffeln und zum Abschluss Bratapfel auf Vanillesauce.

Die Projektleiterin Monika Thaler im Interview

Wer hatte die Idee zum Dinner aus „geretteten“ Lebensmitteln?
Wir – einige Freiwillige, die in einem Projekt in Bolivien mit dabei waren und ich – haben uns überlegt, welche Aktion wir machen könnten, um eine Unterstützung für das Projekt zu bekommen. Doch nur Spenden sammeln war uns zu wenig, wir wollten auch auf globale Zusammenhänge aufmerksam machen und zu einem bewussten Konsumieren sensibilisieren. Eine unserer Freiwilligen kennt den Feld.verein aus Innsbruck bereits seit längerer Zeit, die genau dasselbe machen: sie holen Ausschussware von den Bauern in der Umgebung, verkochen das Gemüse zu einer Suppe und bieten diese Betrieben als Mittagessen an. Diesen Verein haben wir dann mit ins Boot geholt und sie kochen für uns.

Wen wollten Sie mit dieser Idee ansprechen?
Alle, die gerne gut essen.

Welche Lebensmittel haben Sie bei diesem Abendessen verwendet?
Wir haben „rappige“ Kartoffeln bekommen, Eier mit dünner Schale, Brot, das im Geschäft übrig bleibt, zu kleine Krautköpfe, die die Maschine nicht fassen kann, um Sauerkraut daraus zu machen. Wir haben Rohnen, die zu üppig im heimischen Garten gewachsen sind und Birnen, die im Nachbarsgarten nicht geerntet wurden verwendet. Außerdem haben wir uns an einen Pesto aus Rohnenblättern versucht.

Wo kommen die Lebensmittel her, die Sie dafür verwenden?
Von  Bioläden, Obst- und Gemüsegeschäften, von Genossenschaften haben wir Waren erhalten, die nicht mehr verkauft werden konnten. Dann waren noch Lebensmittel von Bauern und Bäuerinnen mit dabei.

Welche Tipps haben Sie für einen “normalen“ Haushalt, wo Lebensmittel nicht einfach weggeworfen werden sollen?
Nicht zu viel kaufen, ansonsten gibt es keinen Überblick mehr im Kühlschrank. Immer wieder alles durchforsten und kontrollieren. Mit Hunger einkaufen gehen verleitet uns dazu, Dinge zu kaufen, die wir nicht alle aufessen können. Wir sollten uns auch nicht von Angeboten locken lassen, wenn wir die Produkte nicht wirklich brauchen. Eine Einkaufsliste ist sehr hilfreich. Kreatives Restekochen bringt neue Geschmäcker. Brot einfrieren, wenn zu viel gekauft wurde und kurz vor dem Urlaub freuen sich die Nachbar über Produkte, die den Urlaub im Kühlschrank nicht überstehen. Natürlich ist eine gute Lagerung der Lebensmittel sehr wichtig.

Sind Südtiroler Haushalte zu wenig aufgeklärt, was die Lagerung und Verwendung von Lebensmitteln betrifft?
Bestimmt ist das nicht nur ein Südtiroler Thema. Früher waren wir es gewohnt, Lebensmittel haltbar zu machen mit Fermentationen, Trocknen usw.. Heute können wir jederzeit alles kaufen wie etwa im Winter Tomaten, Zucchini oder Erdbeeren. Wir geben immer weniger von unserem Einkommen für Lebensmittel aus. Waren es vor 50 Jahren noch mehr als die Hälfte meines Einkommens, so sind es heute durchschnittlich nur mehr 14 Prozent. Die Lebensmittel sind nicht mehr so wertvoll für uns und deshalb ist es uns auch egal, wenn wir mal ein Joghurt wegwerfen. (TL)