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„Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen!“

Innichen – Nach rund eineinhalb Jahren ohne Wettkampf ist Valentina Cavalleri zurück auf der Rennbahn und fliegt wieder über ihre geliebten Hürden. Die 24-jährige Innichnerin lebt und trainiert seit kurzem in Rom und gehört zu den besten Hürdenläuferinnen Italiens . Wie ihr Comeback gelaufen ist und wie sie mit ihrer Verletzung umgegangen ist, erzählt sie im Interview mit dem Puschtra.

Puschtra: Valentina, wie bist du bei der Leichtathletik gelandet?
Valentina: Die Leichtathletik ist mir sozusagen in die Wiege gelegt worden, meine Mutter war bereits eine 400-Meter-Hürdenläuferin und mein Vater Weitspringer. Also stamme ich aus einer sehr sportlichen Familie. Bis ich aber bei den Hürden gelandet bin, habe ich als Kind so ziemlich jede Sportart ausprobiert. Angefangen habe ich mit Skifahren, später dann Turnen, Schwimmen, Tennis, Handball und Triathlon ausprobiert, nebenbei war ich auch Singen und habe Gitarre gespielt; schließlich bin ich in der dritten Mittelschule bei der Leichtathletik gelandet. Das Laufen hat mir am meisten Freude bereitet und darin war ich auch am besten, was einen als Kind zusätzliche Motivation verleiht. Als ich aber zum ersten Mal auf die Bahn bin und richtige Spikes anziehen durfte haben meine Augen geleuchtet. Als dann noch Hindernisse im Weg standen wurde die Aufgabe nochmals interessanter.

Die 400-Meter-Hürden gelten als eine der schwierigsten Disziplinen der Olympischen Kernsportart, wieso haben es dir die Hürden angetan?
Genau, im Italienischen wird die Distanz als „giro della morte“ beschrieben. Die 400-Meter sind athletisch gesehen extrem anspruchsvoll, durch die hohen Laktatwerte brennt jeder Muskel im Körper. Hinzu kommen technische und rhythmische Aspekte, eine vernünftige Renneinteilung spielt eine Rolle, genauso wie die Schritte zwischen den Hürden oder auch die Windverhältnisse. Der Lauf kann bei jeder Hürde verloren werden. Wie oft der Ausgang des Rennens bei der allerletzten Hürde noch über den Haufen geworfen werden kann ist schon spannend zu sehen! Neben der Rennen reizt mich das Training besonders. Einige Einheiten sind extrem anstrengend, mir gefällt es alles aus meinem Körper rauszupressen bis ich total erschöpft bin. Nach so einen Training tut zwar alles weh, zu wissen, dass ich heute auf der Laufbahn alles gegeben habe, erfüllt mich Eine innere Zufriedenheit stellt sich ein und Glückshormone werden freigesetzt.

Nun hast du ein Studium hinter dir, wie war es für dich Leistungssport und Studentenleben auf die Reihe zu bekommen?
Vor kurzem habe ich den Master in Sportwissenschaften an der Universität von Verona abgeschlossen. Anfangs war es ziemlich schwierig, an der Uni hatte ich meistens Anwesenheitsplicht, zum Training bin ich öfters extra nach Bruneck gefahren, das Wochenende war ich manchmal nur einen halben Tag zuhause. In Verona war ich beim Training auf mich allein gestellt und musste mich organisieren. Meistens habe ich in der Mittagspause trainiert und ging nachher zurück an die Uni. Nach und nach habe ich mir die Zeit besser eingeteilt, an der Uni bekam ich mehr Spielraum fürs Training. Zudem habe ich eine kleine Trainingsgruppe gefunden, mit der ich wenigsten gemeinsam einwärmen konnte, um etwas Gesellschaft zu haben. Das Studium an sich hat mir Spaß gemacht, nach meiner aktiven Laufbahn kann ich es mir gut vorstellen irgendwo als Trainerin, bzw. Turnlehrerin zu arbeiten.

Seit kurzem hast du deinen Lebensschwerpunkt nach Rom verlagert und startest für die Militärsportgruppe, was hat dich in die Hauptstadt gezogen?
Nach dem Studium und der den Jahren beim SSV Bruneck hatte ich einfach einen Tapetenwechsel nötig. Um im Training neue Reize setzten zu können habe ich mich entschlossen diesen Schritt zu wagen und ins Trainingszentrum des Esercito nach Rom zu wechseln. Eigentlich bin ich sehr heimatverbunden, unsere Berge und meine Familie gehen mir schon ab. Trotzdem, ich habe immer davon geträumt ein richtiges Sportlerleben führen zu können, ohne nebenbei arbeiten zu müssen. Zu Hause gibt es immer irgendwelche Ablenkungen, Einkaufen, Kochen, Haushalt… Hier in Rom kann ich mich voll und ganz auf den Sport konzentrieren. Ich wohne in einer Sportlerkaserne, zwar nicht die Neuste, aber im Zimmer habe ich alles was ich brauche. Das neue Umfeld war schon eine komplette Umstellung für mich, hier gibt es einen anderen Tagesablauf und Klima. Ich habe eine junge, engagierte Trainerin, auch an ihre Methoden musste ich mich erst einmal anpassen. Mittlerweile funktioniert die Zusammenarbeit aber super. Ich habe zwei Trainingspartnerinnen, die auf einen hohen Niveau sind, zwar laufen sie die 400-Meter flach, dennoch können wir uns im Training gegenseitig pushen. Nach Rom zu gehen war mit Sicherheit eine richtige Entscheidung, nun hoffe ich, dass ich hier ein neues Level erreichen kann.

Wie hast du die Corona Zeit verbracht und mit welchen Schwierigkeiten hattest du zu kämpfen?
Ehrlich gesagt war der Lockdown eine angenehme Abwechslung für mich, die Zeit mit der Familie habe ich sehr genossen. Ich konnte mir noch rechtzeitig einige Trainingsgeräte und Gewichte nach Hause holen und habe so ein recht gutes Krafttraining machen können. Sobald die 200-Meter-Regel in Kraft trat konnte ich auch wieder einigermaßen gut laufen. Auf der Hauptstraße vor meinem Haus habe ich 200 Meter von Zebrastreifen zu Zebrastreifen ausgemessen und beim Training meine ganze Familie eingespannt: Mein Bruder hat die Zeit gestoppt, meine Mutter ist mit dem Fahrrad neben mir her gefahren und mein Vater hat Fotos oder Videos gemacht. Nach meiner Verletzung waren die Wochen wie ein zweiter Winter für mich, also eine Vorbereitung, wo ich Zeit ohne Wettkampf nutzen konnte, um nochmals einen guten Formaufbau zu machen.

Nun hast du eine lange Leidenszeit hinter dir, wie genau ist die Verletzung eigentlich passiert?
Angefangen hatte es mit ständigen Schmerzen in der Wade beim Laufen, die zunehmend schlimmer und schließlich unerträglich geworden sind. Nach mehreren Untersuchung haben wir uns nach Absprache mit Trainern und Ärzte dazu entschlossen, die Saison abzubrechen um die Verletzung ausheilen zu lassen. Das war ein ziemlicher Schock für mich und im ersten Moment nur schwer zu verkraften. Der Zeitpunkt war einfach blöd, der Saisonbeginn lag vor der Tür und ich wäre gut drauf gewesen! Im selben Jahr fand die Universiade in Neapel statt, es war mein letztes Studiums Jahr, also die letzte Möglichkeit teilzunehmen, außerdem hätte ich gute Chancen auf eine Medaille gehabt.
Für zwei Monate musste ich versuchen nur so wenig wie möglich zu gehen um die Wade zu entlasten. Gelaufen bin ich nur im Wasser, fit gehalten habe ich mich auf einen Fahrradergometer. Neben Krafttraining und Physiotherapie habe ich nach alternativen Trainingsmöglichkeiten gesucht und mit Mentaltraining angefangen. Als Ablenkung habe ich auch Kinderkurse abgehalten. Die ersten Lauftrainings sahen so aus: eine Minute laufen – eine Minute gehen. Schritt für Schritt habe ich mich so zurückgearbeitet. Im Nachhinein hätte ich schon früher auf meinen Körper hören und eine Auszeit nehmen sollen.

Nach 17 Monate hast du endlich dein Comeback geben können, wie war es für dich wieder an der Startline zu stehen?
Vor den ersten Wettkampf war ich schon recht nervös, lauter Fragezeichen schwirrten mir im Kopf herum: Wo stehe ich im Vergleich zu den anderen, wie weit bin ich nach der Verletzung schon wieder… Als mir der Lauf richtig gut gelungen ist, fiel mir eine riesige Last von den Schultern. Im gut besetzten Lauf bin ich dritte geworden, und war nicht allzu weit weg von meinen besten Zeiten. Ich war dermaßen erleichtert, dass ich eine Woche danach immer noch ein Lächeln auf den Lippen hatte! Das positive Comeback-Rennen hat mir viel Selbstvertrauen gegeben und stimmt mich für die Zukunft positiv.

Deine persönliche Bestzeit liegt bei 57:30 und datiert aus dem Jahr 2018; was ist dein Ziel und wo soll die Reise noch hinführen?
Das heurige Saisonshighlight ist sicherlich die Italienmeisterschaft Ende August, die möchte ich gut laufen. Das nächste Ziel wird auf alle Fälle sein, unter 57 Sekunden zu bleiben, wenn möglich möchte ich es heuer noch abhacken. Einen großen Traum habe ich schon: die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Im nächsten Jahr wird es wahrscheinlich schwierig, da es wegen der Verschiebung von Olympia neue Qualifikationskriterien gibt. Die darauffolgenden Spiele sind dafür nur drei Jahre später. Diesen Traum gilt es jetzt zu verwirklichen.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch und alles Gute! (MT)