Monika Mutschlechner aus Olang

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Monika Mutschlechner aus Olang

“Meine seelische Kraft gebe ich gerne an Menschen weiter, die ein schwerer Schicksalsschlag trifft.“

Die Notfallseelsorge im Weißen Kreuz Sektion Bruneck feiert ihr 20-jähriges Jubiläum. Wir sprachen mit der Leiterin Monika Mutschlechner Jud.

Wie kann man sich einen Notfallseelsorge-Einsatz vorstellen?
Wir Notfallseelsorger werden nach plötzlichen Todesfällen von der Weiß-Kreuz-Bezirkszentrale gerufen und erhalten die Infos für den Einsatzort. Wir sind immer zu zweit und wir bemühen uns um die Angehörigen bzw. Hinterbliebenen, sprechen mit ihnen, hören zu und bereiten sie für eine Abschiednahme vor. Jeder Fall und die damit involvierten Menschen sind anders. Man muss die Situation zulassen, aushalten, miteinander reden und offen für jede Art von Meinung und Weltanschauung zu sein. Man weiß nie, was auf einen zukommt. Eine gewisse Anspannung ist immer da, auch wenn man mit der Erfahrung all der Jahre, doch etwas abgeklärter an die Sache herangeht. Wir sehen es als unsere Aufgabe, wenn wir am Schluss die Hinterbliebenen verlassen können im Gefühl, ihnen eine seelische Hilfe gegeben und sie aus der Schockstarre heraus zu einer ersten Handlungsfähigkeit gebracht zu haben. Bei schwierigen Einsätzen werden auch Notfallpsychologen zum Einsatz gerufen, speziell wenn Kinder oder viele Menschen involviert sind. Sie betreuen die Unfallpatienten oder deren Angehörige bei Bedarf auch noch nach den Einsätzen weiter.

Welche Rolle spielt die Zeit eines Einsatzes?
Es ist wichtig, dass wir nach der Alarmierung rasch zum Einsatzort kommen. Hinterbliebene erfahren den Vorfall nämlich manchmal von Bekannten über soziale Netzwerke, noch bevor sie von den zuständigen Behörden, wie den Carabinieri, darüber informiert werden können. Das ist heute ein großes Problem. Die Zeit aber, die man für Menschen im Notfall aufwendet, darf keine Rolle spielen. Ich muss einfach voll für den Menschen in der Notsituation da sein.

Wie sehr finden Betroffene oder Sie im Glauben Trost?
Die Notfallseelsorge darf nicht mit der Seelsorge eines Priesters verwechselt werden. Wenn ich merke, dass den Hinterbliebenen der Glaube hilft, gehe ich darauf ein, wobei wir es mittlerweile nicht nur mit Katholiken, sondern auch mit Andersgläubigen zu tun haben. Mir persönlich hilft der Glaube sehr, schwierige Situationen zu bestehen.

Wie verarbeiten Sie persönlich schlimme Bilder eines Unfalls?
Nach dem Einsatz setzen wir uns im Team noch kurz zusammen, sofern zeitlich möglich. Im Normalfall kehren wir dann zu unserem Arbeitsplatz oder heim zur Familie zurück. Ich entledige mich der Dienstkleidung, das ist wie ein Ritual, womit ich das Geschehene abstreife. Falls es die Zeit zulässt, gönne ich mir eine Weile der Ruhe oder mache einen Spaziergang, was mir hilft, im Kopf frei zu werden. Auch wenn mich Bilder vielleicht in der ersten Nacht verfolgen, verflachen sie doch rasch, weil ich gelernt habe, sie zu verarbeiten. Wenn mir ein Fall aber zu nahe geht, kann ich mich an unseren Notfallpsychologen oder an unser Team wenden.

Wie kamen Sie zur Notfallseelsorge im Weißen Kreuz?
Mein Mann arbeitete ehrenamtlich beim Weißen Kreuz und durch ihn und seine Kollegen erfuhr ich von der Notfallseelsorge. Das Thema interessierte mich sehr. Ich machte ein Aufnahmegespräch, dann die Ausbildung und nach einer Prüfung fand ich schließlich die Aufnahme in das Notfallseelsorge-Team. Das ist 16 Jahre her. Man muss ein gutes Maß an Bodenständigkeit, Belastbarkeit, Lebenserfahrung und Beziehungsfähigkeit mitbringen. Einfühlende Kommunikation, Diskretion und Schweigepflicht sind Voraussetzung.

Wie oft sind Sie im Einsatz?
Unser Einsatz ist an 365 Tagen zu 24 Stunden mit je zwei Personen gedeckt. Ein Dienst umfasst je 12 Stunden im Tag- oder Nachtdienst. Wann und wie oft ich mich für Einsätze zur Verfügung stelle, steht mir vollkommen frei, je nachdem, wie ich es mit der Familie und dem Arbeitgeber abstimmen kann. Hiermit rufe ich interessierte Männer und Frauen ab 28 Jahren auf, sich beim Weißen Kreuz zu melden und mitzumachen, wir freuen uns über jede Unterstützung.

Hat Sie Ihre ehrenamtliche Arbeit menschlich bereichert?
Auf jeden Fall. Ich habe einen großen Reichtum an Einsichten gewonnen, die mich private Probleme, die jeder Mensch hat, relativieren lassen. Man wird zufriedener, geht erfüllter durchs Leben und gewinnt bei jedem Einsatz an Lebenserfahrung. Ich erlebe so viel an Dankbarkeit – das ist mein Lohn.

Wie füllen Sie Ihre Freizeit?
Ich bin gerne in der Natur und kann mich auf den Bergen auspowern, ich brauche Bewegung und frische Luft um mich herum. Das Erreichen eines Gipfelkreuzes als Symbol des Glaubens erfüllt mich. Ich liebe die Stille, aber auch anderen Menschen zu begegnen. (IB)