Wilhelm Neumair aus Sand in Taufers

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Wilhelm Neumair aus Sand in Taufers

„Eine Arbeit, mit Freude gemacht, wird nie zu viel.“

 

Wilhelm Neumair blickt zufrieden auf ein erfülltes Leben zurück. Abgesehen von seinem Beruf als Schustermeister war sein unermüdlicher Einsatz im sozialen und kirchlichen Ehrenamt – und ist es bis heute. „Wenn man’s gearn tuit, werd’s nie ziviel“, so ein gängiger Spruch des rüstigen 87-Jährigen.

Herr Neumair, wie kamen Sie zum Beruf des Schusters?
Ich wuchs in St. Lorenzen auf einem Bergbauernhof mit 14 Geschwistern auf. Mit 16 Jahren ging ich bei einem St. Lorenzner Schustermeister drei Jahre in die Lehre und arbeitete drei weitere Jahre als Geselle in Kiens, Olang und St. Georgen. Zuletzt war ich Geselle beim Piez-Paul in Ahornach, mit ihm ging ich auf die Stör. Da blieben wir vier, fünf Tage auf einem Hof, um neue Schuhe anzufertigen oder alte zu reparieren. Für ein Paar neue Schuhe zu machen benötigte ich einen Tag. Da auf der Stör meist nur im Winter Arbeit war, beschloss ich, mich im Juli 1956 selbständig zu machen. In einer kleinen Werkstatt in Sand war ich in Miete, hatte aber bald so viel Arbeit, dass ich in eine größere Werkstatt umsiedeln und einen Gesellen anstellen konnte. Abgesehen von Neuanfertigungen wurden viele Schuhe repariert, neu besohlt, genäht usw. Damals waren Stöckelschuhe mit hohen, dünnen Absätzen groß in Mode. Einmal fertigte ich 40 Paar solcher Absätze, also 80 Stück im Voraus – und nach ein paar Tagen hatte ich sie schon aufgebraucht. Gearbeitet habe ich viel. Zu viel. Oft bis Mitternacht. Aber ich habe das Handwerk immer gern getan. Als Mitte der 1950er-Jahre die Fabrikware kam, war die Schusterware nicht mehr konkurrenzfähig. 1961 schließlich baute ich das heutige Wohnhaus mit Werkstatt und Schuhgeschäft in Sand. Ein wichtiges Standbein blieb aber nach wie vor die Reparatur. Früher half meine Frau Rosa im Laden, das Schuhgeschäft führt heute meine Tochter.

Ist die Schusterei ein aussterbendes Handwerk?
Ich arbeite immer noch ein paar Stunden am Tag, weil mir das Handwerk einfach Spaß macht. Generell aber man lässt heute kaum noch jemand Schuhe flicken. Wenige Schuster gibt es noch, die Schuhe individuell für Private anfertigen. Speziell gibt es jedoch Schuster für Schuhe für Musikkapellen, Schützen oder Trachtenvereine. Das Reparieren von Schuhen aber wird wohl verschwinden. Übrigens war ich auch 14 Jahre lang Obmann der Kaufleute von Sand in Taufers.

Ihr Einsatz galt auch dem sozialen Ehrenamt…
Bereits mein Vater war beim Vinzenzverein, das hat mich bewogen, in Sand dem Verein beizutreten, nachdem ich gefragt wurde. Es war mir immer ein großes Anliegen, Menschen in Not beizustehen. Früher war die finanzielle Not besonders in kinderreichen Familien groß. Heute sind die Nöte unserer Mitmenschen nicht geringer, aber anders gelagert. War früher wohl die Armut größer, sind die heutigen Ursachen von Notlagen oft Verschuldung, Krankheit oder eine niedrige Rente. Wichtig war mir auch immer, junge Leute zur Mitarbeit im Verein anzuwerben. So konnte der Verein kontinuierlich wachsen. Die Arbeit in all den Jahren war mir nie zu viel. Nach 60 Jahren beim Vinzenzverein habe ich heuer allerdings mein Ehrenamt niedergelegt. Ich sehe den Verein in guten Händen und bin überzeugt, dass er weiterhin ein offenes Herz für unsere bedürftigen Mitmenschen hat.

… und für die Kirche
Sonntags und teils auch freitags mache ich Hauskommunionen für Menschen, die nicht in der Kirche der Messe beiwohnen können. Ich mache das schon seit Jahrzehnten und die Leute, hauptsächlich ältere, sind sehr dankbar dafür. Seit 60 Jahren bin ich auch Vorbeter bei Beerdigungen. Eine große Aufgabe. Der Beruf hat mitunter wegen meines oftmaligen Einsatzes darunter gelitten. Diese Zeit habe ich aber gerne geopfert. Dem anschließenden Totenmahl konnte ich aber nie beiwohnen, weil ich heim in die Werkstatt zur Arbeit eilen musste. Es war schon eine große Aufgabe, da blieb viel Arbeit liegen. Regelmäßig bete ich auch in der Kirche bei den Oktober-Rosenkranzgebeten vor, bei Maiandachten, Kreuzwegandachten usw. Im Pfarrgemeinderat wirkte ich auch mit und war außerdem Kommunionhelfer. Auch das Vorsingen bei Messen im Altersheim oder in der Kirche in St. Moritzen bereitete mir viel Freude. Mein ehrenamtlicher Einsatz im kirchlichen und sozialen Bereich war mir ein Leben lang sehr wichtig.

Gibt es Wünsche?
Ich wünsche mir, dass ich noch eine Weile das Handwerk ausführen kann. Mit der Gesundheit bin ich recht zufrieden und vormittags a Watterle mit Freunden ist eine feine Sache. Schon früher watteten wir viel, mein Vater und meine Brüder. Den Mitmenschen wünsche ich Zufriedenheit im Leben und Einsatz für den Nächsten. (IB)