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Radrennen im Winter?

St. Lorenzen – Radfahren im Winter? Genau das Ding von Sophie Auer! Die 16-jährige Nachwuchsfahrerin aus St. Lorenzen zählt zu den größten nationalen Talenten im Mountainbike und im Querfeldein, wo sie letztes Wochenende bei den Europameisterschaften in den Niederlanden im Einsatz war.

Wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen ungemütlich sinken, ist es für die „normalen“ Radler an der Zeit ihr Bike langsam wegzupacken und in den Winterschlaf zu schalten; alle bis auf eine! Sophie Auer betreibt die im Pustertal nahezu unbekannte Sportart Querfeldein, einigen ist die italienische Bezeichnung, Ciclocross wohl geläufiger, die Deutschen oder Engländer hingegen sagen meist einfach nur Cross dazu. Der Wettkampfmodus im Querfeldein ist identisch mit dem des Cross Country im Mountainbike: Rennen werden im Massenstart-Modus auf Rundkurse abgehalten und dauern je nach Kategorie etwa eine Stunde lang. Wer als Erste oder Erster die Ziellinie überquert gewinnt. Die FahrerInnen müssen dabei technisch anspruchsvolle Runden bewältigen, die gespickt sind mit engen Kurven, verschiedenen Untergründen und Hindernissen wie aufgestellte Brettern und steile Rampen. Die Fahrräder sind eigene Cyclo-Cross-Räder, die in ihrer Geometrie einem Rennrad ähneln, aber Platz für 33 Millimeter breite Reifen mit Mountainbike-Profil bieten. Das eigene Rad in der Wechselzone während des Rennens mehrmals zu wechseln ist gestattet und je nach Witterungsverhältnissen sogar erforderlich. Es kann vorkommen, dass der Fahrrad-Rahmen nach ein paar Runden im Dreck ein/zwei Kilogramm Schlamm aufnimmt und dementsprechend nicht mehr rund läuft. Schneefall ist kein Grund für eine Rennabsage, gefahren wird im Cross bei jedem Wetter. Je nach Schwierigkeit der Hindernisse auf der Strecke, müssen die Fahrer ihr Rad mehrmals pro Runde Schultern und über lange Sandbänke oder Treppen laufen. Für die Athleten bedeutet Querfeldein eine Stunde lang maximale Anstrengung, zigmal pro Runde muss abgebremst und erneut beschleunigt werden, die wiederholten kurzen Sprints gepaart mit technischen Fahrfähigkeiten stellen die Herausforderung im Cross dar. Die Disziplin des Radfahrens wird in Südtirol vorwiegend in Bozen und im Unterland betrieben, genießt im Vergleich mit dem Mountainbiken oder dem Straßenradsport allerdings ein Nischendasein. Was nicht heißen muss, dass es weniger interessant ist. Vor allem in Belgien ist es die Wintersportart schlechthin, tausende Menschen tummeln sich jedes Wochenende von Mitte September bis Ende Februar an den Rennstrecken. Nicht verwunderlich, dass Belgien und Holland die zwei dominanten Nationen in der Sportart sind. Neben den reinen Querfeldein-Profis entdecken immer mehr Radfahrer aus anderen Disziplinen Cross für sich, um sich in der Rennfreien Zeit in Schuss zu halten oder um an ihren technischen Fähigkeiten zu feilen. Zu ihnen zählt auch Südtriols Aushängeschild im Radsport Eva Lechner, die an ihre Mountainbike-Saison auch den Radcross-Weltcup anhängt. Superstars der Sportart sind die derzeit wohl ausgeglichensten Radfahrer der Welt: Mathieu Van der Poel, Wout van Aert und Mountainbike Olympiasieger Tom Pidcock sind allesamt im Querfeldein groß geworden und auch auf der Straße und dem Mountainbike höchst erfolgreich.
In diese großen Fußstapfen möchte auch Sophie Auer treten, die Voraussetzungen dazu hat sie jedenfalls. Im zarten Alter von 16 ist sie bereits 4-fache Italienmeisterin im Mountainbike und hat eine Silbermedaille von den Europameisterschaften im Team zuhause hängen. Hauptsächlich ist sie Mountainbikerin, Rad-Querfeldein hat sie als „Kontrast zum Mountainbiken“ vor vier Jahren angefangen, um die Wettkampflose Zeit in den Wintermonaten zu überbrücken. Der Radsport wurde ihr in die Wiege gelegt, ihre zwei älteren Brüder fuhren Rad und ihre jüngere Schwester Anna macht ihr familienintern schön langsam Konkurrenz. Im zarten Alter von drei Jahren stieg sie das erste Mal auf ein Rad und absolvierte ihr erstes Rennen mit Vier. Alles unter Aufsicht ihres Großvaters, der bis vor einem Jahr ihr ständiger Begleiter und persönlicher Trainer war. Vier bis fünf Mal pro Woche trainiert Sophie bei ihrem Heimatverein den ASV St. Lorenzen, hinzu kommen die Wettkämpfe das Wochenende. „Ich liebe es draußen in der Natur zu sein, im Wald trainiere ich am liebsten, besonders mag ich verwinkelte und schwierige Passagen!“, sagt sie. Das Ziel von Sophie Auer ist es ganz nach oben zu schaffen und ihre Leidenschaft Radfahren als Beruf ausüben zu können. Doch zuerst stehe die Schule an oberster Stelle, sagt sie. Sport und Schule zu verbinden ist kein Zuckerschlecken. Bis zum letzten Sommer klingelte der Wecker von Sophie um 5:30 Uhr, denn zur Schule ging sie in Brixen, wo sie eine Ausbildung zur Konditorin angefangen hatte. Nun hat sie in die Hotelfachschule nach Bruneck gewechselt, auch um etwas mehr Zeit für das Training zu haben, was nach der Schule die restliche Zeit des Nachmittages einnimmt. Der Sport habe ihr gelernt diszipliniert zu sein und den Glauben an sich selbst nie zu verlieren und auch wenn es mal nicht wie gewünscht läuft den Spaß am Hobby nicht zu verlieren.

Rad rauf auf die Schultern und weiter geht’s, auch das gibt es im Rad-Cross.

Ihr Idol ist Gerry Kerschbaumer, der in seiner Jugend auch beim ASV St. Lorenzen mit denselben Rennen wie Auer angefangen hat und sich 2018 den Vize-Weltmeister-Titel erfahren konnte. Auf die Frage was genau ihr bei ihrem Sport am besten gefalle, antwortet sie prompt: „Technisch schwierige Abfahrten und kurze steile Anstiege, genau das sind meine Stärken!“ Der Radsport sei für sie, eine der anspruchsvollsten Sportarten, bei dem es neben Kraft und Ausdauer auch auf die Technik ankommt. Zudem sei der mentale Aspekt mitentscheidend: „Im Rennen heißt es sich die Kräfte richtig einzuteilen, für mich bedeutet das nach Gefühl zu fahren. Es ist ein Sport wo nicht nur gegen sich selbst gefahren wird, sondern auch gegen deine Konkurrentinnen. Wenn du zum Beispiel siehst, dass deine Gegnerin gerade schwächelt, musst du im selben Moment aufs Gaspedal drücken, auch wenn du selbst total am Limit bist, nur um ihr einen psychologischen Nadelstich zu versetzten!“, erzählt sie eine Anekdote. Auer berichtet, wie es auf der Strecke manchmal hart her geht und sie schon das ein oder andere Mal von einer anderen Fahrerin beim Versuch eins Überholmanövers absichtlich abgedrängt worden sei. „Da heißt es einfach einen kühlen zu Kopf bewahren!“, stellt sie fest. Letzte Woche war Auer mit der italienischen Nationalmannschaft bei den Europameisterschaften im niederländischen Drenthe am Start. In einem gut besetzten Teilnehmerfeld belegte sie den starken 17. Rang von 54 Teilnehmerinnen. Der Sieg ging an das britische Ausnahmetalent Zoe Bäckstedt, Tochter des ehemaligen Paris Roubaix Sieger Magnus Bäckstedt, die ihrerseits amtierende Straßen-Weltmeisterin ist. Mit dem Resultat sei sie nicht zufrieden, aber dennoch froh sich bis ins Ziel durchgekämpft zu haben, lautete Auers Fazit. Bei widrigen Bedingungen und einer aufgeweichten Strecke taten sich viele Athletinnen schwer den richtigen Grip zu finden, das Europameisterschaftsrennen wurde zu einer wahren Schlammschlacht. „Bei mir war etwas der Wurm drinnen!“, sagte Auer nach dem Rennen. „Die Form hätte eigentlich gestimmt, aber der Kopf hat dieses Mal nicht ganz mitgespielt!“, fügt sie hinzu. Auch die Kälte habe ihr während dem Rennen zu schaffen gemacht: „Eigentlich mag ich die kalten Temperaturen überhaupt nicht, da performe ich nie so gut.“ Die Europameisterschaft im Querfeldein war ihr bisher größter Wettkampf und sei eine „coole Erfahrung“ gewesen. Sophie Auers Ziel ist jedenfalls klar: Sie möchte es ganz nach oben schaffen: „Natürlich ist es schwierig Profi zu werden, ich muss von Jahr zu Jahr schauen, wie es läuft und wie ich mich entwickle. Wenn alles optimal weitergeht, kann ich in ein paar Jahren bei den Europameisterschaften der Großen mitfahren!“ Vorausgesetzt die Motivation und die Gesundheit spielen immer mit, dafür wünschen wir ihr alles Beste! (MT)