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Im Dienst der Heimatpflege

Sie liebt es zu lesen und hört klassische Musik. Zu ihren Vorbildern gehören Hans Glauber und Georg Kaser und sie würde gerne dem rasanten Wachstum einen Riegel vorschieben. Claudia Plaikner steht an der Spitze des Heimatpflegeverbandes Südtirol und setzt sich für Mensch und Heimat mit viel Herzblut ein.

Frau Plaikner, Sie sind seit acht Jahren Obfrau des Heimatpflegeverbandes Südtirol und seit 1996 für diesen Verband tätig. Was treibt Sie an?
Claudia Plaikner: Da ist eine Verantwortung, die ich für meine Heimat verspüre – eine Verantwortung, die es mir nicht gestattet, nur in den Tag hineinzuleben und zu schauen, dass es mir gut geht, sondern Veränderungen in meiner heimatlichen Umgebung aufmerksam, möglichst objektiv und mit einem kritischen Auge zu betrachten. Ich halte es mit dem kleinen Prinzen aus der gleichnamigen Erzählung von Antoine de Saint Exupéry: „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ Das ist für mich ein sehr überzeugendes Motto: Ich bin für die Menschen und das Land in meinem Umfeld verantwortlich und ich möchte meinen Beitrag leisten. In Zeiten mit Multikrisen, in denen wir gerade stecken, ist es meiner Meinung nach auch essenziell, sich einzubringen, zu handeln, sich nicht in eine fatalistische Zurückgezogenheit zu begeben und von den anderen die Lösung der Probleme zu erwarten. Ausschlaggebend für meine Haltung war vor allem meine Familie, speziell meine Eltern: Sie haben mich gelehrt, sich mit Meinungen auseinanderzusetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden und dafür geradezustehen. Weiters treibt mich an, mit Gleichgesinnten eine sinnstiftende Aufgabe zu verfolgen. Wir unterstützen und ermutigen uns gegenseitig, denn als Einzelkämpfer wäre man auf verlorenem Posten. Die Thematiken, mit denen wir uns als Heimatpflegeverband beschäftigen, sind oft auch herausfordernd, da brauchen wir die Gruppe.

Haben Sie den Vorsitz im Heimatpflegeverband je bereut?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe das Angebot damals auch gründlich durchdacht, da ich damals meine Mutter betreut habe und mir diese Aufgabe sehr wichtig war. Die Verbandsspitze hat mich aber sehr zur Kandidatur ermutigt und nach der Wahl immer unterstützt, wofür ich dankbar bin, denn dieses ehrenamtliche Amt ist auch recht zeitintensiv. Mittlerweile ist meine Mutter verstorben und ich arbeite als Oberschullehrerin in Teilzeit und kann mich so mit viel Einsatz dem Verband widmen.

Die Stimme erheben und eine klimagerechte und lebenswerte Umwelt einfordern.

Frauen in Führungspositionen sind – nicht nur in Südtirol – rar gesät. Wie verlief Ihr Werdegang bis an die Spitze des Verbandes?
Da ich schon seit 2008 die Vizeobfrau des Verbandes war, lag meine Nachfolge sehr nahe und ich wurde von der Verbandsspitze und von den Bezirken auch ermutigt, diese anzutreten. Ich habe all die Jahre hindurch als Frau im Heimatpflegeverband keinerlei Benachteiligung erfahren und nie Probleme gehabt, als Frau an der Spitze zu stehen. Ich bin eine Verfechterin von mehr Frauen in der Öffentlichkeit, denn Frauen haben andere Themen und andere Sensibilitäten und manchmal auch mehr Hausverstand (lacht). Was ich aber beobachten muss, ist, dass die Gleichstellung von Mann und Frau noch lange nicht überall angekommen ist und das ist schade, denn wir haben viele sehr fähige Frauen in unserem Land.

Welche Entwicklungen auf dem Gebiet Natur-, Umwelt- und Denkmalschutz in Südtirol waren in den letzten Jahrzehnten erfolgreich, welche weniger?
In den 70er und 80er-Jahren hat beispielsweise der Naturschutz durch die Ausweisung von sieben Naturparks eine hohe Aufmerksamkeit erhalten. In den 80er- und 90er-Jahren wurden zahlreiche Biotope ausgewiesen. Dass jetzt auch die von verschiedenen Natur- und Umweltschutzverbänden propagierte Ausweisung der einzigartigen Langkofelgruppe als Naturschutzgebiet nicht recht vorankommt, zeugt von einer veränderten Haltung.
Zum Denkmalschutz: In Südtirol gibt es ca. 4.800 unter Schutz stehende bauliche Objekte: Das ist doch recht ansehnlich. Allerdings muss für diesen Bereich auch immer wieder gekämpft werden und es bräuchte meiner Meinung nach für das Denkmalamt größere personelle und finanzielle Ressourcen, damit diese wichtigen ortsbildprägenden und identitätsstiftenden historischen Bauobjekte noch besser betreut und gefördert werden können. Eine schwarze Stunde für die Denkmalpflege hier im Pustertal war aber z.B. der Abriss des denkmalgeschützten Welsberger Gerichtsgebäudes.
Wir sorgen uns aber auch darum, dass nicht geschützte wertvolle Bausubstanz (alte Bauernhöfe usw.) durch Um- und Neubau zusehends verschwindet und damit auch die Charakteristik unserer Siedlungsgebiete verloren geht und durch oft schlechte Allerweltsarchitektur ohne jeden Bezug zum gebauten Umfeld ersetzt wird.
Was den Reiz unseres Kulturraumes ausmacht, ist ja auch oft das Zusammenspiel von natürlichen (Bäume, Hecken, Hügel usw.) und architektonischen Elementen, von Ansichten, welche durch die Ausweisung als Ensemble geschützt sind. Leider wird der Ensembleschutz in der Praxis generell viel zu lasch gehandhabt und, obwohl er ein Gesetz ist, von vielen Gemeinden sogar ignoriert. Deshalb sehen wir die Ansiedlung des Ensembleschutzes laut neuem Gesetz für Raum und Landschaft in der Kompetenz der Gemeinden äußerst kritisch und fordern, die Verantwortung für den Ensembleschutz in die Kompetenz des Landes zu übertragen.
Generell hat das Wachstum der letzten Jahrzehnte in Südtirol sicher viel Wohlstand gebracht. Aber inzwischen ist dieses ständige Mehr – speziell auch durch den Tourismus – zu einer großen Belastung für die Einheimischen und für die Natur geworden. Ich nenne ein aktuelles Beispiel: In Mellaun oberhalb von Brixen soll ein abgelegenes 40.000 m3 großes Hoteldorf entstehen, dessen Kubatur diejenige des gesamten angrenzenden Weilers Mellaun übertrifft! Der grassierende Wirtschaftsliberalismus und die Wachstumshysterie haben zudem zu vielen Schieflagen auch im sozialen Bereich geführt, Wohnungen für junge Menschen und Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen – geschweige denn solchen mit niedrigem Einkommen – sind unerschwinglich geworden.

Gemeinsam mit anderen Umweltverbänden vermissen Sie im neuen Regierungsprogramm der kürzlich gewählten Landesregierung „ein starkes Bekenntnis zum Klima- und Landschaftsschutz“. Wie sollte dieses Bekenntnis Ihrer Meinung nach aussehen?
Das „starke Bekenntnis“ zu Klima- und Landschaftsschutz im Regierungsprogramm ist so nicht erkennbar. Das sieht man auch daran, dass der Landeshauptmann, der im Wahlkampf den Klimaplan vor sich hergetragen hat, es verabsäumt hat, die Kompetenz für den Umwelt- und Klimaschutz zur Chefsache zu machen und damit auch ein klares Signal für die Wichtigkeit dieses Bereiches zu setzen. Generell braucht es aber die Anstrengung aller politisch Verantwortlichen, dem drängenden und bedrohlichen Klimawandel entgegenzuwirken, zeitnahe Pläne und konkrete Maßnahmen zum Aktivwerden zu setzen und auch ein echtes Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Die Zeit für Lippenbekenntnisse muss vorbei sein!

Der Klimaplan soll bis 2040 umgesetzt werden. Ein realistisches Ziel?
Ich bin generell kein pessimistischer Mensch, aber dass wir den Klimaplan – ohne Klimagesetz und ohne absolute Priorisierung des Klimaschutzes in allen Bereichen, vor allem auch im Verkehr – umsetzen können, glaube ich nicht. Aus Rücksicht vor den jungen Menschen, die ja länger auf dieser gebeutelten Erde leben müssen, möchte ich aber trotzdem die Hoffnung nicht ganz aufgeben und auch sie ermutigen, ihre Stimme zu erheben, aktiv zu sein und von uns allen mehr Einsatz für eine klimagerechte und lebenswerte Umwelt und Heimat einzufordern.

Kultur und Denkmalschutz sind nun in einem Ressort unter Landesrat Philipp Achammer gelandet. Stimmt Sie diese Zusammenlegung zufrieden?
Ja, diese Zusammenlegung ist wirklich ein sehr positiver Aspekt und als Verband haben wir das ja auch seit Jahren gefordert, da Kultur und Kulturgüter einfach zusammengehören. Es sind verwandte Themen und deshalb sollen sie auch in einer politischen Hand liegen.

Sie unterrichten am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium in Bruneck und kennen die Bedürfnisse und Sorgen der Jugendlichen. Welches sind in Zukunft die großen Herausforderungen für die jungen Menschen?
Die jungen Menschen wachsen gerade mit den großen Umwälzungen auf. Als Pädagogin ist es mir ein Anliegen, ihnen Aktionsmöglichkeiten in ihrem eigenen Umfeld aufzuzeigen, denn das Schlimmste wäre es, sie zu kritiklosen, auf den Eigennutz ausgerichteten Individuen zu erziehen. Sie sollen zu kreativen und kritischen Gestalter:innen ihrer Heimat werden – Herausforderungen dazu gibt es ja genug. Denken wir beispielsweise nur an die zukünftige Ressourcenknappheit im Bereich des Wassers oder an die steigenden Temperaturen. Auch das Thema leistbares Wohnen wird für die jungen Menschen ein Thema bleiben. Es wäre auch sehr wichtig, dass junge Menschen früh politische Verantwortung übernehmen und mit ihren oft unkonventionellen Vorstellungen konventionelle Sackgassen aufzeigen. Herausforderungen sind aber immer auch Chance – ich hoffe sehr, dass die jungen Menschen diese annehmen.

Sie gelten als hartnäckig. Über welche Ihrer Eigenschaften sind Sie dankbar, auf welche könnten Sie verzichten?
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich ein gutes Nervengerüst habe; mich haut so schnell nichts um. Das ist sicher auch eine gute Voraussetzung für meine Tätigkeiten. Was ich nicht kenne, ist Angst, um diese Eigenschaft bin ich sehr dankbar und ich traue mich auch, die Dinge beim Namen zu nennen. Die Diplomatie ist allerdings nicht meine Stärke und ich habe auch etwas wenig Geduld, wenn evidente Uneinsichtigkeiten vonseiten meiner Gesprächspartner da sind.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Ich lese sehr gerne, dann bin ein großer Fan von klassischer Musik und besuche gerne Konzerte. Ich singe auch gerne und mache das seit vielen Jahren im Chor von Oberolang und früher sang ich unter Chorleiter Hubert Hopfgartner auch im Collegium Musicum in Bruneck. Als sportlichen Ausgleich wandere ich gerne, ich liebe das Schwimmen und auch das Langlaufen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass die Menschen auch in Südtirol mehr auf ihre Heimat schauen. Dass die Selbstbezogenheit und die Aufwärtsspirale des „Immer Mehr“ durch eine Lebensgestaltung des Langsameren, Tiefgründigeren und Freundlicheren abgelöst wird – Vordenker wie Hans Glauber, Alexander Langer und Georg Kaser, die für mich Pioniere und Vorbilder sind, können uns weiterhin dazu inspirieren und animieren. Dazu wünsche ich mir noch, dass die Südtiroler:innen gegen Falschinformationen, Hetze und Neid immun werden und mehr den Wissenschaftler:innen Gehör schenken.
TL

 

Steckbrief:

Claudia Plaikner lebt in Olang
Seit 1993 Professorin für Deutsch und Geschichte
Seit 1996 im Vorstand des Heimatpflegeverbandes Südtirol
Seit 2008 Obmann-Stellvertreterin
Von 2003 bis 2011 Bezirksobfrau des Heimatpflegeverbandes Pustertal
Seit 2017 Obfrau des Heimatpflegeverbandes Südtirol

Heimatpflegeverband Südtirol
7 Bezirke
35 Mitgliedsvereine
99 Ortsbeauftragte
4.068 Mitglieder