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Autonomieentwicklung nach Streitbeendigung: Gutachten vorgestellt

Ein Rechtsgutachten der Uni Innsbruck zur Autonomie-Entwicklung soll als Grundlage zur Wiederherstellung verlorener Zuständigkeiten dienen.

Wie hat sich Südtirols Autonomie seit der Streitbeilegungserklärung im Jahre 1992 entwickelt und verändert? Dieser Frage sind im Auftrag der Landesregierung die Rechtsprofessoren Walter Obwexer vom Institut für Europarecht und Völkerrecht und Esther Happacher vom Institut für Italienisches Recht der Universität Innsbruck nachgegangen und haben nun die 600 Seiten starke Studie Entwicklungen und Veränderungen der Südtiroler Autonomie seit der Streitbeilegungserklärung 1992 vorgelegt.

„25 Jahre nach der Streitbeendigungserklärung haben wir nun ein detailliertes und rechtswissenschaftlich fundiertes Bild des Gesundheitszustandes unserer Autonomie“, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher, der das Gutachten heute (6. Juni) gemeinsam mit den Autoren im Landhaus 1 in Bozen vorgestellt hat. Rom und Wien seien über das Gutachten bereits in Kenntnis, berichtete der Landeshauptmann. Alle Interessierten könnten in Kürze im Netz Einblick in das Rechtsgutachten nehmen, kündigte er an.

Einblick in die Vorgehensweise bei der Erstellung des Rechtsgutachten gab Professor Walter Obwexer. Die Entwicklung der Autonomie sei aus der Sicht des Völkerrechts, aus jener des Unionsrechts und schließlich aus jener des italienischen Verfassungsrechts unter die Lupe genommen worden. Geprüft wurden primäre, sekundäre und tertiäre Zuständigkeiten des Landes und deren Entwicklung von 1992 bis heute.

Was das Völkerrecht angeht erklärte Obwexer: „Die Streitbeilegung kommt einer völkerrechtlichen Bindung gleich. Alles was an Zuständigkeiten nach 1992 eingeschränkt wird, kann nur bei Zustimmung oder zustimmendem Stillschweigen Österreichs erfolgen.“

Veränderungen brachte auch das EU-Recht, dessen Grundfreiheiten beispielsweise die Autonomiebestimmungen einschränkten, das aber auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Europaregion möglich gemacht hat.

Zum Teil positiv, zum Teil negativ hätte sich auch die Verfassungsreform 2001 ausgewirkt, analysierte Obwexer: So wurde beispielsweise der bis dahin für Landesgesetze notwendige Sichtvermerk abgeschafft. Allerdings wurden die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Staates neu definiert und so genannte transversale Zuständigkeiten festgelegt, für die der Staat bindende Vorgaben macht, dazu gehören unter anderen das Wettbewerbsrecht, das Zivilrecht oder die Sozialgesetzgebung.

Und gerade diese transversalen Zuständigkeiten sind es, die Südtirols Autonomie letzthin zu schaffen machten, wie Professorin Esther Happacher auch anhand einer Reihe von Beispielen ausführte, darunter die Raumordnung, die Personalordnung, die Berufsordnung. Sie hätten dazu beigetragen, dass es seit der Verfassungsreform keinen Parallelismus zwischen Gesetzgebung und Verwaltung mehr gäbe.

„Seit 1992 sind sowohl Erweiterungen als auch Einschränkungen zu verzeichnen“, fasste Autorin Happacher die Ergebnisse zusammen. Zahlenmäßig sei der Befund ausgeglichen, wobei einigen der Einschränkungen der Südtirol-Autonomie, die der Staat getroffen hat, Unionsrecht zugrunde liege. Die beiden Autoren bestätigten die völkerrechtliche Verpflichtung Italiens, Kompetenzbeschneidungen gegenüber 1992 wiederherzustellen.

Für Landeshauptmann Arno Kompatscher ist das Rechtsgutachten nun Ausgangspunkt, um die Wiederherstellung des Autonomiestandards von 1992 einzufordern: „Wir streben nun ein bilaterales Vorgehen an, um verlorene Kompetenzen wiederzuerhalten, sofern die Einschränkungen nicht auf Unionsrecht zurückzuführen sind.“ Erste Schritte will der Landeshauptmann bereits am Sonntag bei dem Festakt zu 25 Jahren Streitbeilegung setzen.  (jw)