Die Wirtschaft in St. Martin in Thurn

Hubert Holzer aus Mühlwald
29. Juli 2021
Klar strukturiert
29. Juli 2021
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Die Wirtschaft in St. Martin in Thurn

Kulturelles Zentrum des Gadertals, flexible Handwerksbetriebe, naturnaher Tourismus und starker Einsatz in puncto Landschaftspflege – all das verhilft St. Martin in Thurn trotz des vergangenen, schwierigen Corona-Jahres zu positiven Zukunftsaussichten.

St. Martin in Thurn, ladinisch San Martin de Tor, ist eine der fünf ladinischen Gemeinden des Gadertals und umfasst die Ortschaften St. Martin, Pikolein, Campill und Untermoi. Die Gemeinde erstreckt sich über ein Gebiet von 76 Quadratkilometer, das von 1.115 Meter hinauf auf 2.875 Meter reicht. St. Martin in Thurn ist nicht nur der Hauptort der Gemeinde, hier befindet sich auch das kulturelle Zentrum des ladinischsprachigen Gadertals. Das Dorf inmitten der einzigartigen Dolomitenlandschaft beherbergt ein wichtiges Wahrzeichen des Gadertals, nämlich die weithin sichtbare mittelalterliche Burganlage Schloss Thurn, ladinisch Ciastel de Tor. In diesem altehrwürdigen Gebäude ist das Ladinische Landesmuseum, das Museum Ladin „Ciastel de Tor“, untergebracht. Zudem ist in St. Martin in Thurn auch das ladinische Kulturinstitut „Micurà de Rü“ ansässig. Beide Einrichtungen befassen sich mit dem Studium und der Weitergabe der ladinischen Sprache und Kultur. Nicht nur kulturell tut sich hier einiges, auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, hat St. Martin in Thurn in den letzten Jahrzehnten stark aufgebaut. Die Handwerkerzone, die sich entlang der Gader ausbreitet, hat sich zu einem wichtigen wirtschaftlichen Zentrum entwickelt. Dies zeigt einmal mehr, dass das Handwerk derzeit den wohl stärksten Wirtschaftszweig der Gemeinde darstellt. Die vielen verschiedenen Handwerker zeichnen sich besonders durch Fleiß, Innovationsfreude, Professionalität und Flexibilität aus. Doch trotz guter Auftragslage und zahlreicher klein- und mittelgroß strukturierter Handwerksbetriebe hat in den letzten Jahren die Nachfrage nach Gewerbegrund eher nachgelassen. Eine weitere interessante Entwicklung im örtlichen Handwerk ist jene, dass die Betriebe immer flexibler werden und verhältnismäßig viele Aufträge auch außerhalb des Gadertals bzw. sogar außerhalb Südtirols oder Italiens ausgeführt werden. Um die Handwerksfirmen bestmöglich zu unterstützen, ist die Gemeindeverwaltung stets bemüht, die einheimischen Betriebe im Rahmen dergesetzlichen Möglichkeiten zu unterstützen und zu fördern.

Naturnaher Tourismus
Auch in touristischer Hinsicht kann sich die Gemeinde St. Martin in Thurn durchaus sehen lassen. Der Tourismus basiert zu einem guten Teil auf kleinen Familienbetrieben – beispielsweise vor allem im Segment „Urlaub auf dem Bauernhof“-, die Einsatz zeigen und Freude am Umgang mit den Gästen haben. Bekannt ist St. Martin in Thurn vor allem seiner sprichwörtlichen Gastfreundschaft und der vorzüglichen ladinischen Küche wegen. Und natürlich ist es auch die wunderschöne Landschaft des Gemeindegebietes, die viele Tagestouristen und Urlauber aus Nah und Fern anlockt. Der markante Hausberg von St. Martin in Thurn ist der bekannte und von vielen Wanderern und Bergsteigern geschätzte Peitlerkofel. Sommers wie winters verhilft er zusammen mit dem gesamten Naturpark Puez-Geisler unzähligen Bergfreunden zu unvergesslichen Naturerlebnissen. Obwohl alles vorhanden ist, das das Urlauberherz höher schlagen lässt, reiht sich St. Martin in Thurn in touristischer Hinsicht immer noch hinter seine unmittelbaren Nachbarn. Natürlich ist der Tourismus hier nicht so stark entwickelt wie beispielsweise in Alta Badia oder St. Vigil in Enneberg, doch man ist bemüht, auch in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen. Die Fusionierung der Fremdenverkehrsvereine St. Vigil und St. Martin in Thurn hat sich bewährt, in Campill arbeitet man daran, verstärkt auf einen naturnahen Tourismus zu setzen.

Traditionsreiche Landschaftspflege
Am Fuße des 2.875 Meter hohen Peitlerkofles befindet sich Untermoi, die höchstgelegene Ortschaft der Gemeinde St. Martin in Thurn. Das sonnige Bergdorf liegt an der Passstraße, die über das Würzjoch vom Gadertal ins Eisacktal führt. Nicht nur zwei Talschaften treffen am landschaftlich reizvollen Würzjoch aufeinander, hier fließen auch verschiedene Kunstformen, Sprachen und Traditionen ineinander über. Untermoi ist für seine herrliche Naturlandschaft, aber vor allem auch für die Quellen von Bad Valdander bekannt, dessen heilendes Nass bis heute für Bade- und Trinkkuren verwendet wird. Es ist ein erdiges, alkalisches Wasser, das eine auflösende und stärkende Wirkung haben soll. Das ehemalige „Bauernbadl“ mit Kapelle und Badegebäude ist heute denkmalgeschützt. Der Name „Valdander“ kommt ursprünglich von Val d’Anter, was soviel wie „Höhlental“ bedeutet. Seit Jahrhunderten sollen Arme und Kranke hierher gekommen sein und in der Felsgrotte, in der die Quelle entspringt, Bäder genommen und während dieser Zeit sogar in den Höhlen dieser Gegend gewohnt haben. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten beheimatet auch die Ortschaft Campill. Dazu gehören vor allem die sogenannten „viles“, die beeindruckenden Weiler, die eine der ursprünglichsten Siedlungsformen dieses Gebietes darstellen. Campill ist eines der historischen Zentren der zahlreichen „viles“ an den umliegenden Hängen und Geländekuppen. Diese urtümlichen Weiler oder Höfegruppen im Baustil der alt-tiroler Paarhöfe – bestehend aus drei bis zehn Hofeinheiten und Wirtschaftsgebäuden – überraschen Campills Besucher in immer neuen Gruppierungen und vielfältigen Ausgestaltungen. Sie geben der Landschaft ihren unverkennbaren Charakter und sind Ausdruck eines über Jahrhunderte gereiften Gemeinschaftssinns. Das harmonische Zusammenspiel der Gebäude ist dabei kein Zufall, es zeugt von einer sorgfältigen Planung bereits in mittelalterlichen Zeiten. Die meisten der Weiler in Campill sind sehr alt und bestehen aus maximal zehn Gebäuden. Erwähnenswert ist natürlich auch das idyllische Mühlental, das einem bewanderbaren Freilichtmuseum ähnelt. Insgesamt präsentiert sich das traditionsreiche Campill als wahres Kleinod inmitten herrlicher Berglandschaft. In Pikolein befinden sich einige wichtige historische Gebäude, wie beispielsweise das Haus „Ciasa dl Maier“ oder das im 14. Jahrhundert erbaute Gebäude „Ciastel Freieck“. Zudem sind hier seit ungefähr hundert Jahren die ursprünglich ersten sozialen Einrichtungen des Gadertals angesiedelt. Die schöne St. Antonius-Kirche und die schöne Lage der Ortschaft ziehen immer wieder zahlreiche Besucher an. Besonders im Winter genießt man im Gemeindegebiet von St. Martin in Thurn außerdem die direkte Verbindung zu Südtirols Skiberg Nr. 1, dem Kronplatz, durch die moderne Anlage auf der Südwestseite des „Piz de Plaies“ mit der Talstation in Pikolein. Was die vier schmucken Fraktionen der Gemeinde St. Martin in Thurn verbindet, ist ihre landwirtschaftliche Prägung. Wie im restlichen Gadertal sind auch hier Land- und Forstwirtschaft aufgrund ihrer Funktion als Landschaftspfleger und als Lieferant von typischen regionalen Produkten für Handel, Handwerk, Industrie und Tourismus von großer Bedeutung. Zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe liefern Milch an die Sennereigenossenschaften, einige betreiben Hofkäsereien nach neuestem Standard oder beteiligen sich an der Aufzucht traditioneller Nutztierrassen. Die Landwirte sind sehr fleißig und traditionsverbunden, fast alle Wiesenhänge, auch wenn sie sehr steil sind, werden noch gepflegt. Besonders auch die Jungbauern bemühen sich sehr um den Fortbestand der bäuerlichen Kultur vor Ort. Auch hier gibt es eine Entwicklung, die man in den letzten Jahren zunehmend beobachten kann: Die Zahl der reinen Milchbauern ist im Sinken begriffen. Der Trend geht klar in Richtung „Großbauern“, die zum Teil auch die Wiesen von ihren Nachbarn bewirtschaften. (SH)