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Kindheitsgeschichten aus Südtirol

In früheren Zeiten waren Südtiroler Kindheiten oft durch große Armut, die Mitarbeit in der Landwirtschaft und sich verändernde politische Gegebenheiten geprägt. Annemarie Augschöll-Blasbichler und Ulrich Leitner lassen in ihrem Buch „Kindheitsgeschichten/Storie d’infanzia“ 42 Menschen zu Wort kommen, die in Südtirol, Nord- und Osttirol sowie dem Trentino zwischen 1900 und 1970 aufgewachsen sind.

Puschtra: Frau Augschöll, was ist das Besondere an Ihrem Buch?
Annemarie Augschöll: Eine Besonderheit liegt darin, dass man in diesem Buch Menschen aus dem gesamten Raum des historischen Tirols begegnet, die aus ihrer Kindheit erzählen. Man kann hier beispielsweise nachlesen, wie beschwerlich der Schulweg für ein Kind eines Südtiroler Bergbauernhofes war oder welche Erfahrungen Kinder in der zerbombten Innsbrucker Innenstadt nach dem Krieg machten oder welches Schicksal wiederum etwa die kleinen Schornsteinfeger aus dem Nonstal zu tragen hatten. Das Buch ist auch durch seine Entstehung etwas Besonderes: Ulrich Leitner und ich haben die Erfahrungsberichte gemeinsam mit Südtiroler und Nordtiroler Studierenden im Gespräch mit den erzählenden Personen aufgeschrieben. Die Kindheitsgeschichten aus dem Trentino hat der Historiker Quinto Antonelli aus schriftlichen Biographien zusammengestellt. So sind insgesamt zwölf Geschichten in italienischer, 28 in deutscher und zwei in ladinischer Sprache entstanden.

Herr Leitner, wie kann man sich so einen Erfahrungsbericht vorstellen?
Ulrich Leitner: Wir haben die interviewten Personen nicht nach bestimmten Dingen gefragt. Stattdessen konnten sie frei erzählen, was ihnen aus ihrer Kindheit in Erinnerung geblieben ist, was ihnen wichtig war und immer noch wichtig ist. Wir nennen diese Form des Befragens ein „biographisches Interview“. Es geht also nicht darum, Fragen zu stellen, sondern offen zu sein für das, was die Interviewten aus ihrem Leben erzählen können und wollen. Entstanden sind bemerkenswerte und vielfach sehr persönliche Erinnerungsgeschichten.

Haben Sie dabei auch Stimmen aus dem Pustertal eingefangen?
Ulrich Leitner: Ja, da ist etwa die Geschichte von Rudolf aus Sexten, der von Fliegerangriffen in Kriegszeiten erzählt, die er mit seinen Mitschülern auf dem Nachhauseweg von der Schule miterlebte. Daneben finden sich in unserem Buch beeindruckende Schilderungen vom Leben auf Südtiroler Bauernhöfen und bäuerlichen Tätigkeiten, von Pflegekindern, von Schulerfahrungen und Erinnerungen an politische Ereignisse. Man erfährt auch viel über verschiedene Familienverhältnisse und insbesondere von unterschiedlichen Lebenswegen von Frauen.

Frau Augschöll, für wen haben Sie dieses Buch gemacht?
Annemarie Augschöll: Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, ein allgemein verständliches Lesebuch zu schaffen. Gemacht haben wir es in erster Linie als Dank für all die bemerkenswerten Kindheits- und Lebensgeschichten, die uns von so vielen tollen Menschen erzählt wurden. Jede einzelne Geschichte ist ein kleiner Schatz, der es wert ist, erzählt, aufgeschrieben und gehört zu werden. Wer sich für die Geschichte und die Menschen unserer Region interessiert, findet hier reichlich Lesestoff.

Gibt es eine Buchvorstellung?
Annemarie Augschöll: Ja, wir lesen aus unserem Buch am 7. Oktober 2022 in Brixen vor. Die Lesung beginnt um 16 Uhr in der Aula Magna der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Uni Bozen in der Regensburgerallee 16. (TL)