

Dietenheim – Wenn die Kirchturmglocken ertönen, hüllen sie das Dorf Dietenheim in eine mystische Klangwolke. Die Turmknechte sorgen für diesen magischen Moment.
Es gibt nur wenige Kirchenglocken im Pustertal, die noch von Hand und nicht elektrisch geläutet werden. In Dietenheim sind es 14 sogenannte Turmknechte, die diese anstrengende Aufgabe übernehmen. Die Pfarrkirche Dietenheim verfügt über vier Glocken: Die große Glocke, gegossen 1938, 1.300 kg schwer erschallt in D-Dur, die zweite, die „Zwölferin“ von 1857 wiegt 1.000 kg und ist in Es gestimmt. Diese beiden werden bis heute von den Turmknechten mit Stricken in Bewegung gesetzt und zum Tönen gebracht. Hierfür ziehen vier Männer pro Glocke (jeweils zwei pro Seite) an Lederstricken, um die tonnenschwere Bronzeglocke in Schwung zu bringen. Für beide Glocken sind also jedes Mal acht Mann im Einsatz. In den Weltkriegen wurden landesweit Kirchenglocken aus den Türmen geholt und eingeschmolzen, um Metall für die Rüstungsindustrie zu gewinnen, auch die Große von Dietenheim ereilte dieses Schicksal. Sie wurde 1938 nachgegossen und zeigt heute ein Relief von Engeln und vom Herzen Jesu, die Zwölferin zeigt die Madonna mit Mondsichel sowie den hl. Josef mit Kind.Weiters hängen im hölzernen Glockenstuhl noch zwei seit 1977 elektrisch betriebenen Glocken: die in F gestimmte „Zehnerin“ von 1930 und 730 kg schwer und die in A klingende „Kleine“ von 1857 mit 450 kg.
Die Pfarrkirche zum hl. Apostel Jakobus
Die Pfarrkirche in Dietenheim ist dem hl. Apostel Jakobus dem Älteren geweiht und wird 1332 zum ersten Mal in dokumentiert, soll aber bereits im 12. Jh. entstanden sein. Eine Glocke wird erstmals 1503 erwähnt, 1518 eine Mittagsglocke (15 Zentner schwer) sowie eine im Jahre 1616. Nach einem Blitzeinschlag 1642 wurde die große Glocke beschädigt und 1643 neu gegossen. All diese Glocken wurden im 1. Weltkrieg abgenommen und eingeschmolzen. Der Kirchturm erhielt 1692 sein heutiges Aussehen. Ursprünglich gehörte Dietenheim zum Kloster Sonnenburg, seit 1891 ist es eine eigene Pfarre. 
Das Läuten
Früher wurden die zwei großen Glocken über 70-mal im Jahr von Hand zum Klingen gebracht. Die Kirchenglocken waren auch bei einem Brand- oder Katastrophenfall zu hören – die Sirenen der Feuerwehr lösten dann dieses Alarmsignal ab. An Festtagen erklang das Betläuten bereits um 4 Uhr früh. Die Zwölferin sollte beim Wetterläuten vor Unwetter bewahren. Heute läuten die Turmknechte rund 40-mal im Jahr: an Festtagen, bei Hochzeiten, Jubiläen und bei Beerdigungen. Beim Tod des Papstes wird für 10 Minuten die große Glocke geläutet, das Schiedumläuten am nächsten Mittag für 30 Minuten. Bei erfolgter Papstwahl ist die große Glocke 10 Minuten lang zu hören. Stirbt ein Dorfbewohner wird mittags für 30 Minuten lang das Schiedum geläutet sowie bei der Beerdigung. Als 2001 Altpfarrer Paul Kofler im 86. Lebensjahr verstarb, erklang um 8 Uhr nicht die übliche Sterbeglocke, sondern eine Stunde lang die Große. Im Allgemeinen erschallen die Glocken 5-mal im Leben eines Menschen: zur Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit und beim Tod.
„Wir sind Gottesdiener“
„Einige von uns läuten bereits seit über 45 Jahren“, sagt Georg Kuen. Er ist der Turmmeister. Kuen wird vom Pfarrer z. B. bei Beerdigungen benachrichtigt und organisiert dann die Männer zum Läuten. Da es für beide händisch betriebenen Glocken acht Männer braucht, muss sich manch einer sogar Urlaub nehmen. „Für das Läuten verlangen wir nichts“, so Kuen, „wir sind Gottesdiener und läuten für Gotteslohn. Es ist Ehrensache, wir freuen uns aber über Spenden. Wir erfahren große Wertschätzung, weil wir diese alte Tradition bis heute aufrechterhalten.“ Um die Tonnen von Bronze überhaupt in Schwung zu bringen braucht es anfangs viel Kraft, danach viel Gefühl, damit die Glocken abwechselnd erklingen. Denn nur das Läuten von Hand erzeugt diesen einzigartigen, rhythmischen Zusammenklang aller Glocken. Und die Männer erfüllt es mit Stolz, wenn „ihre“ Glocken weit über den Brunecker Talkessel zu vernehmen sind. Die Turmknechte von Dietenheim beschenken uns mit diesem herrlichen, auch tröstenden, immer wohltuenden Hall.
IB