Aus der Brunecker Stadtordnung von 1649

Sarah Gasteiger aus St. Johann
7. November 2019
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Aus der Brunecker Stadtordnung von 1649

Teil 1 – Damit eine im Mittelalter gegründete Stadt zu einer Stadt wurde, musste sie mehrere Bedingungen erfüllen. Eine betraf die Stadtbefestigung.
Diese musste von einer Ringmauer gebildet werden, welche die Häuser der Stadt umgab. Dann gehörte das Marktrecht dazu, das der Gründer der Stadt, der Stadtherr, zu verleihen hatte und schließlich auch das ebenfalls vom Stadtherrn verliehene Stadtrecht.

Bruneck: die Stadt
Bruneck ist im Jahre 1256 erstmals genannt. Es dauerte dann bis 1305, dass wir vom Bau der Stadtmauer erfahren. Damals erließ Fürstbischof Johannes Sax, der Stadtherr von Bruneck, 15 namentlich genannten Brunecker Bürgern die Stadtsteuer, wenn sie die nächsten vier Jahre an der Ringmauer um die Stadt bauten, und zwar jeweils an einem Stück, das so breit war wie ihr Haus und vier Klafter (ca. 8 m) hoch. Zu Beginn der 1330er Jahre ist dann erstmals von Bruneck „in der stat“ die Rede. Das Marktrecht wurde in mehreren Schritten an die neue Siedlung übertragen. Es begann damit, dass das in Stegen existierende Marktgericht nach Bruneck verlegt wurde, was natürlich nur sinnvoll war, wenn der Ort bereits über ein Marktrecht verfügte. Der älteste und für lange Zeit bedeutendste Markt war der Lorenzimarkt, der im August stattfand und zunächst 14 Tage dauerte und ab Mitte des 16. Jahrhunderts dann nur mehr 8 Tage. Es war Kaiser Karl IV., der an Bruneck im Jahre 1370 das Samstag-Wochenmarkt-Privileg verlieh und im Jahr darauf die hohe Gerichtsbarkeit. Was die Stadtordnung anging, erließ Fürstbischof Friedrich von Erdingen die erste im Jahre 1378. Sie wurde von Kardinal Nicolaus Cusanus (1450-1464) überarbeitet und erweitert. Die Stadtordnung, die am längsten in Kraft war, erließ Fürstbischof Anton von Corsini.

Die Erbhuldigung der Bürger
Für die Bürger und die Inwohner der Stadt war immer dann, wenn ein neuer Bischof sein Amt antrat, die Erbhuldigung vorgesehen. Darunter verstand man einen Eid, „mit aufgehebten Fingern“ zu Gott und den Heiligen zu schwören, dass man treu und gehorsam zum Bischof stehen und für das Stift Brixen alles unternehmen werde, was dessen Nutzen fördere. Von der Pflicht, Treue und Gehorsam zu schwören, waren die Adeligen befreit. Welch drastische Folgen es hatte, als einmal ein nicht adeliger Bürger sich dieser Huldigungspflicht entzog, sehen wir am Beispiel Paul Feichtners, des Prettauer Bergwerksverwesers und späteren Generalfaktors dieses Bergwerkes. Der Verweser war der höchste Bergwerksbeamte. Er hatte seinen Amtssitz in Bruneck (Oberragen, Haus Nr. 12, ehemals Metzgerei Pircher), wohnte aber im Ansitz der Wolkensteiner, dem heutigen Palais Sternbach. Als er den Huldigungseid an Bischof Hieronymus Otto Agricola nicht leistete und sich damit rechtfertigte, dass noch niemand den Eid geleistet hätte, der im adeligen Ansitz der Wolkensteiner wohnte, versuchte es die bischöfliche Kurie zunächst im Guten. Als Feichtner aber auch dem folgenden Bischof Daniel Zen (1627-1628) nicht huldigte, wurde über ihn der Kirchenbann verhängt. Dieses Ereignis wurde nicht nur in Bruneck ausgiebig erörtert, sondern erregte weit über die Stadt hinaus Aufsehen, war es doch wirklich etwas Außerordentliches, dass mitten in der Gegenreformation in einer bischöflichen Stadt ein verdienstvoller Bergbaufachmann und Verwalter exkommuniziert wurde. Als der Druck auf den Freiherrn von Wolkenstein-Rodenegg vor allem von Seiten der Kirche immer größer wurde, sich von Feichtner zu trennen, gab dieser nach. In der Sedisvakanz nach dem kurzen Pontifikat von Bischof Daniel Zen fuhr Feichtner nach Brixen, legte vor dem Domkapitel den Huldigungseid ab und bat um Erledigung vom Kirchenbann, was das Domkapitel in Rom zu erwirken versprach. Die Kirche hatte einem Bürger die Grenzen aufgezeigt. Was man beim Adel hinnahm, nämlich die Nicht-Huldigung, führte beim Bürger an den Rand der Existenzvernichtung. Dass es darum ging, an Feichtner ein Exempel zu statuieren, wird in der Korrespondenz um diesen Fall ganz offen zugegeben.

Die Festlegung der Grenzen der Stadt
Ein wesentlicher Akt der Stadtordnung von 1649 war eine aktualisierte Festlegung der Grenzen der Stadt und deren Markierung mit schön gemeißelten Marksteinen, von denen die meisten mit laufenden Nummern und der Jahreszahl 1666 versehen waren. Ursprünglich dürften 65 granitene Grenzsteine entlang der städtischen Grenzlinie gestanden sein. Ihre Zahl nahm dann immer mehr ab. Wenn heute noch deren 20 zu finden sind, ist das viel. Es gab kaum jemand, der sich für den Schutz dieser Marksteine zuständig fühlte. Die Stadtordnung von 1649 listet diese Steine nicht nur auf, sondern beschreibt auch deren Position recht genau. Seinerzeit war den Bruneckern die Kontrolle der Grenzen ihres Gebietes sehr wichtig. Die Marksteine wurden jährlich von einer Kommission aufgesucht und kontrolliert. Diese Begehung der Stadtgrenzen fand jedes Jahr um Georgi (23. April) statt, der der Bürgermeister angehörte, zwei Ratsherren und einige von der „Gemain“, ältere und jüngere. Über den Zustand der Steine wurde ein Protokoll abgefasst. Die Stadtordnung nennt dann auch die Namen jener Häuser, die der Brunecker Gerichtsbarkeit unterstanden, obwohl sie außerhalb der Stadt lagen, so etwa die ehemalige Messinghütte, das Haus am Stein in Dietenheim, der Breitenberger- und der Schönhuberhof in Stegen, der Tratter- und der Kachlerhof zu St. Georgen u. a. Eine andere Kategorie bildeten jene Häuser, die nicht der städtischen Gerichtsbartkeit unterstanden, obwohl sie im Stadtbereich lagen. Dazu gehörten jene Gebäude, die im Besitz von Adeligen waren, wie das heutige Palais Sternbach und die Ansitze Teisegg und Kirchmayr zu Ragen, ferner die Benefiziatenhäuser, das Amtshaus des Klosters Neustift (heute Universität), der Pfarrwidum, das Haus Hohenzorn in der Hintergasse und das Haus zu Port am Beginn der oberen Stadtgasse. (RT)